Es geschah in einer Regennacht
Fastfood-Fressbuden. Aber vom Sehen, vom
Vorbeifahren kenne ich die Fensterfront. Der stellt hochwertige Gemälde aus.
Keine bestimmte Stilrichtung, mal dies, mal das, aber Qualität. Eine
Kunsthandlung für betuchte Kunden, denke ich mal.«
»Vielleicht ein Umschlagplatz
für geklaute Kunst«, überlegte Tim.
»Wie soll das funktionieren?«,
fragte Gaby. »Erwartest du, dass der ›TanzendeTiger‹ dort im Schaufenster
steht?«
»Wenn Dilch dort arbeitet,
Pfote, hat Gehrmann zumindest einen Kriminellen im Team. Kann ja sein, dass
Gehrmann seriös ist wie der Pfarrer von der benachbarten Kirche. Aber Dilch
knüpft vielleicht anrüchige Beziehungen zu zwielichtigen Kunden. Vielleicht
gibt’s da welche mit besonderen Wünschen — unerfüllbaren Wünschen, weil das
Objekt der Begierde in Privatbesitz ist oder im Museum hängt. Doch der Dilch,
der macht’s möglich. Damit meine ich: Er klaut im Auftrag.«
»Ich denke«, sagte Klößchen,
»der Reibach läuft mit Lösegelderpressung. Dazu braucht Dilch keine Auftraggeber,
sondern höchstens seinen Helfer. Und den hat er ja. Jedenfalls waren sie
gestern Abend zu zweit.«
»Richtig, Willi«, nickte Tim.
»Aber das Besondere am Kunstraub ist nun mal, dass es für die weitere
Verwertung zwei Schienen gibt. Vielleicht macht Dilch das eine wie das andere.
Und dass er Gemälde raubt, geschieht rein zufällig — weil er im Kunsthandel
arbeitet. Wäre er bei ‘nem Juwelier angestellt, ginge es um Schmuck und goldene
Uhren.«
»Wie harmlos«, feixte Klößchen,
»sind dagegen die Minijobber im Kaufhaus. Die lassen nur gelegentlich ein
T-Shirt mitgehen oder eine passende Unterhose.«
In Gedanken machte sich Tim
eine Notiz: Ich muss unbedingt diese Kunstdetektivin Ulrike Mazoli anrufen.
Vielleicht haben sich die Räuber schon gemeldet wegen des Lösegelds.
Sie stiegen auf die Bikes und
fuhren zur Otto-Mueller-Straße, die — wie Karl erläuterte — nach einem
berühmten Maler benannt war. Tim entsann sich, dass er vor nicht allzu langer
Zeit eine großartige Ausstellung dieses Expressionisten gesehen hatte.
Jetzt, am späten Vormittag, war
wenig los in dieser Gegend. In der Otto-Mueller-Straße flanierten allerdings
einige Schaufenstergucker. Grund genug für die Kunsthandlung, ihre Pforten auch
am Samstag bis zum späten Nachmittag geöffnet zu halten. Die Häuserzeile
bestand aus gepflegten Stadthäusern, das Geschäft war im Parterre
untergebracht. Zwei breite Schaufenster gewährten Einblick auf ausgestellte
Gemälde und Skulpturen. Der Eingang beeindruckte mit wuchtigem Stahlrahmen und
Glas, das wie Panzerglas aussah.
Klößchen übernahm die Bewachung
der Bikes am nächsten Laternenpfahl. Tim, Karl und Gaby betraten die
Kunsthandlung. Ein weitläufiger Raum erstreckte sich nach hinten, wo ein
kostbarer Schreibtisch mit Computer und anderen Geräten darauf stand. Mindestens
hundert Gemälde an den Wänden und auf Staffeleien waren angeordnet zu einem
Rausch für die Augen.
In der Nähe des Schreibtisches
waren zwei Männer zugange. Sie hatten gerade ein Gemälde ausgepackt und auf
eine Staffelei gestellt, traten jetzt einen Schritt zurück und beglotzten es
wie das achte Weltwunder.
»Wuuundervoll!«, ächzte der
Ältere. »Einfach wundervoll. Simonka in Hochform. Aber ich kenne es nicht. Ich
habe mir eingebildet, ich kenne alles von ihm. So kann man sich täuschen,
Zackler.«
»Es ist nicht datiert, Chef«,
sagte Zackler. »Muss aber aus seiner letzten Periode stammen. Kurz vor seinem
Tod.«
Der Ältere nickte.
Gehrmann, der Chef, war
ungefähr sechzig — wie Tim schätzte — , groß und hager. Eine silbergraue Mähne
hing ihm bis auf die Schultern. Der etwas dunklere Bart war sorgsam gestutzt.
Er trug eine goldgeränderte Brille. Seine Habichtsnase beherrschte das Gesicht.
Wie ein Halunke, dachte Tim, wirkt er nicht. Aber er kennt seine Rolle als
Galerist.
Gehrmann trug einen eleganten
Zweireiher, violett mit hellen Nadelstreifen, dazu eine orangefarbene Krawatte
auf blassblauem Hemd. Am dünnen Handgelenk hing eine flache silbrige Uhr, die
aber sicherlich aus Weißgold war.
Zackler sah anders aus. Ein
gedrungener Mittdreißiger in Jeans und grauem Pullover. Die Hose war ihm zu
lang und er trat hinten auf die Umschläge. Auf dem runden Schädel klebte ein
Haarschnitt, wie er bei den US-Marines üblich ist, superkurz und pflegeleicht.
Er hatte abstehende Ohren.
»Ein Simonka«, sagte Tim
halblaut. »Das interessiert mich.«
Er ging näher, gefolgt
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