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Es gibt kein nächstes Mal

Es gibt kein nächstes Mal

Titel: Es gibt kein nächstes Mal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
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Umschlag um und las die Anschrift wieder und immer wieder, weil
sie sich wünschte, sie würde sich vor ihren Augen verändern, doch der Brief war
korrekt adressiert. Er trug ihren Namen, ihren Ehenamen. Diesmal konnte sie ihn
nicht einfach zerreißen und so tun, als sei er nie angekommen. Jetzt wußte sie,
daß damit noch lange nicht Schluß war. Nicht, wenn sie schon so weit gekommen
waren. Was sollte sie jetzt noch davon abhalten, bei ihr vorbeizukommen und sie
direkt darauf anzusprechen?
    Die Vergangenheit holte sie alle ein. Irgendwie
hatte sie gewußt, daß es dazu kommen würde. Dieser ganze Wirbel um den Tag des
Sieges, und Gemma war jetzt wieder nach Hause gekommen. Man bekommt eben doch
immer sein Fett ab.
    Sie hatte mit dem Gedanken gespielt, Gemma alles
zu erzählen, aber dann hatte sie sich doch davor gedrückt. Gemma war noch sehr
verletzbar. Sie litt noch unter dem Verlust ihres Mannes, das war Shirley aufgefallen,
und es widerstrebte ihr, über ihre Mutter zu reden. Und für Erklärungen war
ohnehin keine Zeit geblieben. Vielleicht, wenn sie das nächste Mal zu Besuch
kam. Aber vielleicht auch nicht. Shirley erschauerte.
    Vielleicht war es das beste, zu antworten, daß
sie mit alledem nichts zu tun haben wollte. Sie wußte nicht, wozu es gut sein
sollte. Jetzt nicht mehr. Es war das beste, die Dinge so zu belassen, wie sie
waren. Es konnte nur zu noch größerem Leid führen. Sie setzte sich hin und
versuchte, einen Brief zu verfassen.
    »Ich kann mich nicht entscheiden, ob die
Muschelform das richtige ist«, sagte Bethany und hob die Stimme zum Satzende,
um damit anzudeuten, daß ihr eine Meinung willkommen war. Sie hatte nur schnell
reingeschaut, um nachzusehen, wie es Shir-ley ging, da sie, wie sie sagte,
fand, Shirley schien in der letzten Zeit nicht ganz auf der Höhe zu sein.
    »Muscheln?« Shirley seufzte und bemühte sich,
der Angelegenheit ihre Aufmerksamkeit zu widmen. »Ich dachte, Sie hätten sich
für einen leckeren Lachs in Aspik entschieden, mit Gurkenscheiben garniert, die
wie Schuppen wirken...«
    »Sie hören mir ja gar nicht zu«, schalt Bethany
sie mit einer Stimme, die zum Ausdruck brachte, daß sie mit alten Menschen Geduld
hatte. »Ich rede doch von dem Zuckerguß auf dem Kuchen.« Sie lächelte, als
wollte sie damit sagen, sie sei nett zu alten Menschen. »Vielleicht sind Sie
müde?« Sorge war aus ihrer Stimme herauszuhören.
    »Ja, ich bin müde«, sagte Shirley allzu bereitwillig,
und Bethany wirkte ziemlich verstimmt, als sie ihre Hochglanzillustrierten
zusammenpackte und ging.
    Sie brauchte eine Zeitlang Ruhe und Frieden.
Normalerweise hatte sie für ihren Geschmack zuviel Ruhe und Frieden, aber heute
war es ihr seit der Postzustellung am Morgen nicht gelungen, sich zu beruhigen.
    Sie schob die Glastür zu ihrem Balkon zur Seite
und zog den weißen Plastikstuhl scharrend über den Betonfußboden in die letzten
Sonnenstrahlen. Sowie die Dämmerung anbrach, würde auf dem Strand ein Feuerwerk
angezündet werden. Sie konnte das Murmeln der Menge hören, die sich in der
Ferne versammelte. Sie würde das Feuerwerk gut sehen können.
    Das letzte Mal hatte es am Tag des Sieges der
Alliierten über Japan ein Feuerwerk in der Stadt gegeben. Stella hatte darum
gebettelt, ausgehen zu dürfen, doch Dad hatte gesagt, die komplette Mannschaft
würde gebraucht, weil die Leute hinterher Hunger hätten. Sie konnte sich noch
an den Gesichtsausdruck erinnern, mit dem ihre Schwester trotzig einen Eimer
Pommes frites ins Fett geschüttet hatte, das noch nicht heiß genug war und ihr
Dad hatte sie daraufhin mit einem Schaumlöffel verdroschen. Wenn er doch bloß
die Stärke besessen hätte, ihr eine gewisse Freiheit zu lassen. Jemanden wie
Stella konnte man nicht in einen Käfig sperren.
    Sie hatte versucht, ihm klarzumachen, daß ihre
kleine Schwester nichts weiter wollte als ihren harmlosen Spaß, aber sie war
nicht allzu tapfer gewesen. Er war ein grober Kerl, und sie hatte es sich nicht
mit ihm verderben wollen.
    »Wir hätten uns ihm widersetzen sollen«, sagte
sie Jahre später, nachdem Dad gestorben war, zu Ken. »Vielleicht hätte Stella
uns dann eher getraut.«
    »Uns getraut?« erwiderte er. »Und wie sieht es
umgekehrt aus? Hätten wir ihr etwa getraut?«
    In dem Moment hatte er sie so sehr an Dad
erinnert, daß sie ihn hätte schlagen können.
    Dennoch wünschte sie ihm, er möge in Frieden
ruhen, denn er war ein braver Mann, und es hatte keinen Zweck, ihm die Schuld
an allem

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