Es gibt kein nächstes Mal
auf einen Drink treffen wollte.«
»Wenn das so ist, dann komm doch auf einen Drink
zu mir rüber. Was hältst du davon?« fragte Oliver.
Es war, als hätte er eine Schwachstelle gefunden
und sei jetzt bereit, zuzudrücken, um zu sehen, wie weit sie gehen würde, ehe sie
zerbrach.
»Das geht nicht. Ich habe heute abend noch zu
tun.«
»Und an welchem Abend hast du nichts zu tun?«
fragte Oliver und hatte es ihr damit unmöglich gemacht, sich zu weigern, ohne
den Eindruck zu erwecken, unhöflich oder hysterisch zu sein. »Warum gehen wir
nicht in die American Bar im Savoy? Sehen wir doch mal, ob die einen passablen
Manhattan hinkriegen. Du bist doch jetzt bestimmt Expertin für Manhattans, oder
etwa nicht?« Sie kam nicht dahinter, ob er sie tatsächlich überreden wollte
oder ob er sich nur einen Scherz mit ihr erlaubte.
»Also dann am Dienstag...« sagte sie nervös.
Sie sah keine andere Möglichkeit, das
Telefongespräch zu beenden. Sie sagte sich, sie würde morgen anrufen und die
Verabredung absagen, und bis dahin würde er jemand anderen gefunden haben, mit
dem er seine Spielchen betreiben konnte.
»Am Dienstag um sechs«, erwiderte Oliver
zufrieden. »Wir treffen uns dort. Möchtest du eine Nachricht hinterlassen?«
»Eine Nachricht?« fragte Gemma.
»Für Kathy«, sagte er, als hätte er sie schon
wieder bei einem Fehler ertappt.
»Ja, natürlich, sicher, wenn es dir recht
ist...«, sagte Gemma, und ihre Stimme verklang, als sie begriff, daß er den
Hörer bereits aufgelegt hatte. Sie legte ebenfalls auf und starrte das Telefon
an.
»Mit wem triffst du dich?« fragte Ralph und
drückte ihr einen Kuß auf den Nacken.
Sie hatte nicht gehört, daß er reingekommen war.
Er roch nach gemähtem Gras und Bier, und sein Gesicht war von der Sonne
gerötet. Sie drehte sich um und küßte ihn, und dabei schloß sie die Augen, um
einen Blickkontakt zu vermeiden. »Mit jemandem, mit dem ich mir während des
Studiums ein Haus geteilt habe.«
Jetzt war nicht der rechte Zeitpunkt, um ihm von
Oliver zu erzählen. Und außerdem gab es dazu ohnehin nichts zu sagen. All das
hatte sie längst bewältigt.
»Ich dusche nur schnell, wenn ich darf«, sagte
Ralph.
»Ja, selbstverständlich. Sollen wir zu diesem
Spanier essen gehen, wenn du fertig bist? Ich habe den ganzen Tag hier gesessen
und gelesen, und ich brauche dringend Bewegung, und außerdem habe ich großen
Hunger!«
Er nickte. »Eine prima Idee«, sagte er.
Mit Ralph war das Leben so leicht, dachte sie.
Man stellte ihm eine direkte Frage, und er gab eine direkte Antwort darauf. Sie
hatte nie das Gefühl, das sie bei anderen Männern hatte, sie müßte um den
heißen Brei herumreden und versuchen, behutsam rauszufinden, was er wirklich
wollte. Er wußte, daß es in seinem Leben genug Interessantes gab und daß er
daher nicht gewaltsam zusätzliche Probleme schaffen mußte. Sie mochte sein Selbstvertrauen
und auch den Umstand, daß er wußte, wer er war.
Warum also, fragte sie sich, konnte sie ihm
nicht sagen, daß sie gerade mit einem Mann gesprochen hatte, der so kapriziös
wie charismatisch war, daß jedoch schon allein der Klang seiner Stimme genügte,
um sie innerlich vor Aufregung beben zu lassen, und daß sein Beharren darauf,
sie auf einen Drink zu treffen, dazu geführt hatte, daß sie sich wieder einmal
einbildete, er sei ihr Schicksal?
»Ich glaube, Estella muß Shirley gefragt haben,
ob sie vielleicht Lust hätte, das Baby zu adoptieren«, sagte Gemma.
Sie hatte zwar wirklich nicht geplant, all das
noch einmal durchzugehen, doch Ralph hatte darauf bestanden, sie solle ihm die
vollständige Geschichte erzählen, die sie aus den Briefen ihrer Mutter erfahren
hatte, und sie war froh, daß er nicht lockergelassen hatte, denn als sie sich
gezwungen sah, die Dinge in Worte zu fassen, hatten sich einige der formlosen
Gedanken, die ihr durch den Kopf geschwirrt waren, klarer herauskristallisiert
und Gestalt angenommen. Es war, als sortierte sie einen unordentlichen Packen
von Papieren in säuberlich beschriftete Ordner ein.
»Und Shirley hat offensichtlich gesagt, sie täte
es, doch dann hat Estella es sich anders überlegt«, führte Gemma näher aus. »Da
ist dieser lange, absolut herzzerreißende Brief, in dem es darum geht, daß es
ihr vorher nicht klargewesen sei, wie sehr sie ihn lieben würde... es war ein
Junge..., und daß es ihr einfach unerträglich wäre, ihn Shirley zu überlassen,
wenn sie ihn schon nicht selbst haben kann... das sei
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