Es gibt kein nächstes Mal
College, das
eine reine Mädchenschule war. Die Vorstellung, daß eine andere Frau von ihrem
College ihn kannte, weckte augenblicklich ihre Eifersucht.
»Welches Fachgebiet hast du?« fragte sie, da sie
noch nicht einmal sicher war, daß er überhaupt studierte, denn von seinem
Äußeren und von seinem sicheren Auftreten her schien er eher der Altersgruppe
der außerplanmäßigen Lektoren anzugehören. Aber ein Lehrbeauftragter hätte sich
doch gewiß eine Unterkunft in einem besseren Stadtviertel leisten können, sagte
sie sich.
Er verstand die Frage richtig und setzte zu
einer Erklärung an: Er studierte Jura und stand kurz vor dem Examen. Er hätte
beschlossen, vor dem Studium erst einmal eine Zeitlang zu leben, sagte er, und
sein Blick verlieh diesem schlichten Satz funkelnden Glanz und etwas
Geheimnisvolles. Er sei ziemlich viel gereist, sagte er, und er hätte auf der ganzen
Welt Gelegenheitsjobs angenommen, und deshalb sei er der einzige Student, der
sein Studium in seinen mittleren Jahren immer noch nicht abgeschlossen hätte.
»Aber du siehst gar nicht so aus, als seist du
in deinen mittleren Jahren...« setzte sie an und begriff erst, als sie schon so
weit gekommen war, daß er scherzte.
»Wie alt bist du überhaupt?« fragte sie, als sie
die Fassung wiedergewonnen hatte.
»Zweiunddreißig. Bin ich damit ausgeschieden?
Dein kleines Häuschen gefällt mir wirklich gut. Du hast es sehr attraktiv
hergerichtet.«
Zweiunddreißig. Genauso alt, wie sie jetzt war,
erinnerte sich Gemma. Er schien so reif und charmant zu sein. Sie fragte sich,
ob sie heute so erwachsen wirkte, wie ihr Oliver an jenem Tag erschienen war.
»Nein, natürlich scheidest du deshalb nicht
aus«, hatte sie stolz geantwortet, denn sein Kompliment hatte ihr gutgetan.
»Ich werde dir Bescheid geben«, sagte sie aus dem Gefühl heraus, sie dürfe
nicht sofort einwilligen. Dann zögerte sie, ehe sie zu sagen wagte: »Aber auf einem
Punkt muß ich bestehen. Ich habe nichts dagegen, wenn Leute über Nacht bleiben,
aber ich möchte nicht mit zwei Leuten zusammenwohnen, wenn du weißt, was ich
meine.«
Hinterher hatte sie nicht die leiseste Ahnung,
warum sie etwas so Albernes gesagt hatte. Fast wäre sie ihm auf die Straße
nachgelaufen. Was war, wenn er eine andere Wohnmöglichkeit fand, die ihm besser
gefiel? Was war, wenn er es sich über Nacht anders überlegte? Was war, wenn er
in Ruhe darüber nachdachte und zu dem Schluß kam, es müsse schrecklich
langweilig sein, mit einem so jungen Menschen zusammenzuleben? Was war, wenn es
ihn nie gegeben hatte, wenn er nichts weiter als eine Erscheinung gewesen war?
Sie hatte ihn damals Kathy gegenüber mit keinem
Wort erwähnt. Es schien sich nie zu ergeben, daß sie einen Moment Zeit fanden,
um miteinander zu reden, wenn Roger nicht da war, und sie wollte nicht, daß
jemand etwas von Oliver erfuhr. Für den Moment war er ihr köstliches Geheimnis.
Sie hatte schon fast das Gefühl, wenn sie über ihn gesprochen hätte, dann hätte
das den Bann gebrochen, und er hätte sich in Luft aufgelöst, wäre in das Nichts
zurückgekehrt, aus dem er aufgetaucht war. Am späteren Abend ging sie zu seinem
College und hinterließ in seinem Fach eine Nachricht, auf der stand, er könne
bei ihr einziehen, sowie die Sommerferien begannen. Dann verbrachte sie eine
qualvolle Woche, in der sie nichts von ihm hörte, bis sie eines Tages, als sie
im oberen Leseraum des Bodleian saß und versuchte, sich auf ihre Arbeit zu
konzentrieren, aufblickte und er dastand.
»Ich dachte mir, daß ich dich hier vielleicht
finden könnte«, sagte er und zerrte sie von ihren Büchern fort und in den
umbauten Innenhof, damit er eine Zigarette rauchen konnte. »Ich habe dir eine
Anzahlung mitgebracht.«
Sie hatte vorgehabt, den größten Teil des
Sommers zu Hause zu verbringen. Ihr Vater war an einer Grippe erkrankt, die
anscheinend einfach nicht vorübergehen wollte, und sie wußte, daß er sich schon
auf ihre Rückkehr freute. Als sie in der Telefonzelle vor dem Shelbourne ihren
wöchentlichen Anruf tätigte, hatte er vorgeschlagen, sie könnten gemeinsam in
seinem großen Dachbodenatelier arbeiten.
Er mußte dringend ein weiteres Buch der
Tusker-Reihe fertigstellen. Die Abgabefrist war schon vor Monaten verstrichen,
und wenn er nicht spätestens im Juli damit fertig war, dann würde Ronald wütend
sein, denn Ronald wollte das Buch unbedingt noch rechtzeitig zu Weihnachten
rausbringen.
» Tusker im Zirkus. Ich
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