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Es gibt kein nächstes Mal

Es gibt kein nächstes Mal

Titel: Es gibt kein nächstes Mal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
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daß ihr
einander nicht trösten konntet...«
    »Uns sind nicht beide Elternteile plötzlich weggestorben «,sagte Gemma, die bemüht war, vom Thema abzulenken. »Bertie ist an Krebs
gestorben. Estella hat sich umgebracht. Es war ihre freie Entscheidung. Aber
wie dem auch sei, verstehst du es denn nicht? Daisy war nicht in der Lage, mich
zu trösten. Weshalb sollte ich immer diejenige sein?« fragte sie mit erhobener
Stimme, und ihre Augen gaben den Kampf gegen die Tränen auf.
    »Hast du jemals wirklich getrauert, Gem?« fragte
Kathy behutsam.
    »Ich habe geweint, als Bertie gestorben ist«,
sagte Gemma. »Es kam so plötzlich. Am Tag vor den Abschlußprüfungen ist er mit
einem Armvoll roter Rosen, die er im Garten für mich gepflückt hat, nach Oxford
gekommen. Er hat müde gewirkt, aber es schien ihm gutzugehen. Am Tag nach den
Prüfungen habe ich mit ihm gesprochen, und er hat gesagt, es ginge ihm gar
nicht gut. Ich habe mich augenblicklich auf den Heimweg gemacht. Ich bin
gleichzeitig mit dem Krankenwagen eingetroffen. Er wußte es schon seit drei
Wochen. Der Arzt hatte ihm höchstens sechs Monate gegeben. Ich glaube, das, was
ich am meisten bedaure, sind diese Wochen, in denen er es gewußt und mir nichts
davon gesagt hat. Verstehst du, er wollte mich vor dem Examen nicht
beunruhigen.«
    Eine Träne aus Gemmas linkem Auge rollte langsam
über ihre Wange. Kathy beobachtete dieses einsame Rinnsal, und dann streckte
sie einen Arm über den Tisch und legte ihre Hand auf Gemmas geballte Faust.
    »Wie lange hat er danach noch gelebt?« fragte
sie.
    »Nur noch zehn Tage. Er hatte überall
Metastasen. Sie haben noch nicht einmal mit einer Chemotherapie begonnen. Sie
haben ihn sofort auf Morphium gesetzt. Ich habe ihn täglich gesehen. Estella
und ich waren bei ihm, als er gestorben ist.«
    »Und Daisy?«
    »Sie hat ihn ein einziges Mal besucht. Sie hat
ihm eine Handvoll Margeriten mitgebracht, die sie wahrscheinlich aus dem
Blumenkasten vor meinem Fenster stibitzt hat.« Gemma stieß ein bitteres Lachen
aus. »Ich kann mich noch erinnern, daß sie zu ihm gesagt hat, wenn er die
Blumen ansähe, könnte er an sie denken. Er hat versucht, ihr zu erklären, er
sei wirklich sehr krank, doch davon wollte sie nichts hören. Ich habe auch
versucht, es ihr klarzumachen, aber sie hat behauptet, wir seien Defätisten,
und Estella war außer sich. Mit einer solchen Haltung, hat sie gesagt, würde er
niemals gesund werden.« Gemma bewegte ruckhaft die Schultern, als versuchte
sie, die unliebsamen Gefühle abzuschütteln.
    »Vielleicht hat sie es nicht begriffen, aber
vielleicht hat sie es auch geleugnet... es sich nicht eingestehen wollen«,
legte Kathy Gemma nah.
    »Ja, das mag schon sein... aber ich hatte es
satt, Ausflüchte für sie zu finden, Kathy. Ich hatte die Nase voll.«
    »Und dann hat Estella Selbstmord begangen...«,
führte Kathy sie behutsam weiter.
    »Ja. Daher hat Daisy natürlich ihren Egoismus.
Estella war ja so selbstsüchtig. Mein Gott, sie konnte es noch nicht einmal
ertragen, diejenige zu sein, die nicht gestorben war. Plötzlich hat Bertie im
Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gestanden, und das war ihr unerträglich.«
    »Jetzt hör schon auf, Gem. Du urteilst zu hart,
findest du nicht auch?« fragte Kathy schockiert.
    Gemma zuckte wieder die Schultern und blickte
zur Decke hinauf, als würden die Tränen nicht länger fließen, wenn sie ihren
Kopf in einen anderen Winkel brächte.
    »Ich weiß, daß du es abscheulich finden wirst,
wenn ich dir das jetzt sage«, fuhr Kathy zögernd fort, »aber ich habe mich in
meinem Beziehungstraining auch ein wenig mit Trauerfällen befaßt, denn manchmal
ähneln die Stadien, die die Leute nach einem Todesfall durchlaufen, denen, die
sie nach dem Scheitern einer Ehe durchmachen. Ich glaube, du bist immer noch
sehr wütend auf Estella. Wut ist eines der ersten Stadien, die man durchlaufen
muß, und offensichtlich hast du dieses Stadium noch nicht hinter dich
gebracht...«
    Gemma nahm eine drohende Haltung ein.
    »Und vielleicht überträgst du diese Wut auf
Daisy, Gem«, deutete Kathy an. »Du mußt dieser Wut ihr gegenüber einen Ausdruck
verschaffen, verstehst du, ehe du beginnen kannst, ihr zu verzeihen...«
    »Ich bin nicht sicher, daß ich ihr verzeihen
möchte«, sagte Gemma.
    »Und was willst du ihr nicht verzeihen? Etwa den
Tod deiner Mutter? Du kannst Daisy doch nicht allen Ernstes die Verantwortung
dafür zuschieben, oder doch?« Kathy holte tief Luft. »Oder reden

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