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Es gibt kein nächstes Mal

Es gibt kein nächstes Mal

Titel: Es gibt kein nächstes Mal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
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seiner Arbeit
bereitete ihm große Freude. Daisy schien nie die Geduld aufzubringen, sich
länger als eine Minute auf seine Geschichten zu konzentrieren.
    Gemma erinnerte sich noch daran, wie sie an
einem der Wochenenden, an denen Daisy bei ihnen zu Besuch war, mit Kathy zu
einer Party im New College gegangen waren. Sie und Daisy hatten einander damals
sehr nahegestanden. Daisy hatte ihr jedes Wort von den Lippen abgelesen, und
Formulierungen, die gerade »in« waren, hatte sie aus Gemmas Vokabular
übernommen und ständig gebraucht. Gemma regte sich oft über Daisys Geschick
auf, Situationen zu ihrem eigenen Vorteil zu manipulieren, doch sie liebte sie
heiß und innig und sprang immer wie eine Wölfin zu ihrer Verteidigung ein, wenn
jemand es wagte, Daisy zu kritisieren.
    Es mußte in der Zeit gewesen sein, ehe Kathy
Roger kennengelernt hatte, sagte sich Gemma. Sie hielten nämlich beide nach
attraktiven Männern Ausschau. Sie und Kathy zogen immer beträchtliches
Interesse auf sich, doch mit Daisy an ihrer Seite fühlten sich beide restlos in
den Schatten gestellt. Die Männer scharten sich um Daisy wie Bienen um den
Honig.
    Gemma war ein wenig schockiert darüber gewesen,
und auch ihre Beschützertriebe waren erwacht. »Sie ist erst sechzehn. Ich
glaube nicht, daß sie schon einen Freund gehabt hat«, flüsterte sie Kathy zu.
    Sie konnte sich noch an den ungläubigen Ausdruck
erinnern, der über Kathys Gesicht gehuscht war. Es sei für jeden Menschen auf
Erden deutlich zu erkennen, hatte sie gesagt, daß Daisy ganz genau wüßte, woran
sie mit den Männern war. Es sei zwar rührend, doch sie sei sicher, daß Gemmas
Sorge fehl am Platz war.
     
    »Ich bin nie wirklich dahintergekommen, was zwischen
euch beiden schiefgegangen ist«, sagte Kathy gerade.
    Die Frage klang beiläufig, doch Gemma wußte, daß
es sich dabei um eine unerledigte Angelegenheit handelte, die schon seit einer
ganzen Weile zwischen ihnen stand. Schon seit jenem Abend in New York, als
Kathy sich beiläufig danach erkundigt hatte, wie es Daisy ginge, und Gemma
erwidert hatte, sie hätte keine Ahnung.
    Schweigen hatte sich über den Tisch
herabgesenkt, und dann hatte Boy gefragt: »Wer ist Daisy?« In dem Moment war
Kathy klargeworden, daß etwas schiefgelaufen war. Sie hatte Gemma über den
Tisch angesehen, und ihre Blicke hatten nach einer Erklärung gesucht, doch
Gemma hatte die Augen niedergeschlagen, in die Speisekarte geschaut und
gescherzt, das Leben sei zu kurz, um das Fleisch einer Wachtel von den Knochen
zu lösen. Das Thema war zu persönlich gewesen, um es dort im Restaurant zu
erörtern, und Gemma erinnerte sich noch daran, daß es später anscheinend keinen
einzigen Moment mehr gegeben hatte, in dem sie mit Kathy allein gewesen war.
Vielleicht hatte sie es sogar bewußt so eingerichtet, sagte sie sich jetzt.
    »Wir haben uns verkracht. Nach den
Abschlußprüfungen«, begann Gemma in einem spitzen, unpersönlichen Tonfall, der
herablassend klang. »Ich war wirklich stinksauer auf ihr Benehmen meinem Vater
gegenüber. Sie hat gewußt, daß er im Sterben liegt, aber sie ist so
selbstsüchtig, daß sie ihn nur selten besucht hat. Und hinterher ist Estella
dann vollständig durchgedreht und hätte sie in ihrer Nähe gebraucht, aber nein,
sie war derartig von ihrer neuen Beziehung in Anspruch genommen, daß sie ihr
nicht die geringste Hilfe war. Es ist alles an mir hängengeblieben. Und dann
ist mir klargeworden, daß schon immer alles an mir hängengeblieben ist. Daisy
hat schon immer ihren Willen bekommen, sie ist schon immer unverzeihlich
egoistisch gewesen. Als Estella gestorben ist, habe ich beschlossen, daß ich
nichts mehr mit ihr zu tun haben will.«
    Sie hatte diese kleine Rede schon bei mehreren
Gelegenheiten gehalten. Genau das hatte sie auch Boy erzählt, als er nicht
lockergelassen hatte, was ihre kleine Schwester anging, und Meryl hatte
dasselbe zu hören bekommen. Es klang einigermaßen gut, und es war plausibel.
Außerdem hatte diese Darstellung den Vorteil, daß sie der Wahrheit entsprach,
wenn auch keineswegs der ganzen Wahrheit, und mehr brauchte niemand zu wissen.
    Kathy kannte sie jedoch zu gut, um diese
einstudierte Version zu schlucken. »Es scheint mir ein solcher Jammer zu sein«,
sagte sie arglistig. »Ihr habt einander so nahegestanden. Es muß für euch beide
ein gräßlicher Schock gewesen sein, daß so plötzlich eure beiden Elternteile
kurz hintereinander gestorben sind... Ich meine, ich finde es traurig,

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