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Es gibt kein nächstes Mal

Es gibt kein nächstes Mal

Titel: Es gibt kein nächstes Mal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
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in einen traumlosen Schlaf zu versinken. Sie
hatte so friedlich geschlafen, als ihr Wecker geläutet hatte, so gut wie noch
nie seit ihrer Rückkehr nach England.
    Gegen fünf Uhr nachmittags erwachte sie wieder.
Sie konnte sehen, daß es schon spät war, denn die Sonne war um das Haus herum
gewandert. Sie konnte sich nicht an ihre Träume erinnern, doch sie fühlte sich
ausgeschlafen und erfrischt, aber sehr allein.
    Sie duschte schnell, zog ihr Sweatshirt aus
grauer Baumwolle, eine Hose und Turnschuhe an, lief los und fragte sich, welche
Richtung sie einschlagen sollte. Sie lief zum Westbourne Grove und dann über
die Eisenbahnbrücke und unter der Schnellstraße durch nach Little Venice. Ihr
war nicht klargewesen, wie sich die kleinen Teile von London, die sie kannte,
zusammenfügten. Gestern hatte sie ein Taxi zum Regent’s Park genommen. Es hatte
eine halbe Stunde in den Auspuffgasen eines Staus gestanden und fast zehn Pfund
gekostet. Heute erreichte sie den Park in einem gemäßigten Laufschritt in etwa
derselben Zeit. Sie rannte um den Inner Circle und dann durch die Avenue
Gardens mit ihren von Blüten schweren Bäumen und weiter zur Euston Road.
    Sie blieb stehen, um Atem zu holen, beugte sich
hinunter und ließ den Kopf über den Knien hängen. Sie wollte nicht gleich
wieder nach Hause gehen, aber sie hatte nur sehr wenig Geld mitgenommen und
wußte, daß ihre Beine die ganze Woche leiden würden, wenn sie jetzt noch
weiterlief. Seit ihrer Rückkehr hatte sie nicht allzuviel Bewegung gehabt.
    Sie sah sich nach Anhaltspunkten um und
versuchte, sich ein Bild davon zu machen, wo sie war. Ein paar Straßen vor ihr
ragte der Post Office Tower auf. Ihr fiel wieder ein, daß Ralph gesagt hatte,
die Straße, in der er wohnte, sei nicht weit vom Fuß des Turms entfernt. Seine
neutrale und entspannende Gesellschaft war genau das, was sie jetzt brauchte.
Sie beschloß, sich auf die Suche nach ihm zu machen.
     
    Er hatte gerade einen Schluck Pernod getrunken,
als sie ihn sah.
    »Ich habe gerade an dich gedacht«, sagte sie,
als sie auf seinen Tisch zukam, »aber ich hätte nicht damit gerechnet, daß du
dich vor meinen Augen materialisierst! Lebst du hier?«
    »Es ist zwar meine Stammkneipe«, sagte er, »aber
ich lebe nicht direkt hier.«
    Sie lachte.
    »Setz dich«, sagte er. »Möchtest du etwas
trinken?«
    »Ich hätte schrecklich gern ein Wasser. Leider habe
ich kein Geld bei mir, und daher muß ich mich wohl mit Leitungswasser
begnügen.«
    »Ich glaube, ich kann es mir leisten, dir ein
Perrier zu spendieren.«
    »Danke«, sagte sie und setzte sich. Sowie sie
sich hingesetzt hatte und ihre Beine ihr Gewicht nicht mehr tragen mußten,
merkte sie, wie sehr sie sich angestrengt hatte. »Hast du gearbeitet?« fragte
sie.
    »Ein bißchen. Es fällt mir schwer, zu Hause zu
sitzen, wenn es so sonnig ist, aber es wirkt so snobistisch, wenn man seinen
Laptop auf die Straße mitnimmt. Und daher habe ich mir gesagt, he, das ist
dieser eine Tag im Jahr, an dem in England Sommer ist. Alle haben dir davon
vorgeschwärmt. Also sehe ich doch lieber zu, daß ich ihn genieße...«
    Er gab ihr ein Perrier und einen Pernod aus.
Normalerweise konnte sie Anis nicht ausstehen, aber wenn man in einem
Straßencafé saß, schien es das angemessene Getränk zu sein. Der Alkohol stieg
ihr augenblicklich zu Kopf. Es war ein angenehmes Gefühl, und sie fühlte sich
ruhig. Sie beugte sich vor und nahm Ralphs Sonnenbrille in die Hand, die auf
den Sonntagszeitungen lag. Ihr war aufgefallen, daß er sie abgesetzt hatte, um
mit ihr zu reden, und diese Geste wußte sie zu würdigen. Gespräche mit
Menschen, die eine dunkle Brille trugen, waren ihr ein Greuel. In New York hatte
sie einmal eine besonders schwierige Verhandlung mit einem Agenten geführt, der
eine Ray-Ban-Brille trug. Hinterher hatte sie sich des Gefühls nicht erwehren
können, sie hätte weniger für das Buch bezahlt, das zur Debatte stand, wenn sie
selbst auch eine Sonnenbrille getragen hätte.
    »Sie steht dir gut«, sagte Ralph.
    Sie neigte ihr Gesicht der Sonne entgegen.
    »Wirst du braun?« fragte er.
    »Ja, wenn ich es langsam angehe. Was ist mit
dir?« Sie sah in sein sommersprossiges Gesicht.
    »Soll das ein Witz sein? Fünf Minuten, und ich
bin krebsrot. Aber ich liebe die Sonne.«
    »Ich auch.«
    »An einem Tag wie heute klingt das undankbar,
aber genau das ist es, was mir in England fehlt. Richtiges Wetter. Hier hat man
nicht viel Abwechslung. Im Winter ist es grau und

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