Es gibt kein nächstes Mal
stand er
aus dem Bett auf, um es glattzuziehen, und dabei seufzte er verzweifelt und
entrüstet über ihr Werk.
Sie öffnete die Tür zum Gästezimmer. Es war
sauber und ordentlich, denn es wurde ohnehin nie betreten. Jedes Abstauben
schien unsinnig zu sein. Die Wohnung erschien ihr riesig und leer. Die Bewohner
des übrigen Gebäudes waren aus dem Haus gegangen. Sie sehnte sich nach
Geräuschen, nach einem Anzeichen dafür, daß sie nicht der einzige Mensch auf
Erden war.
Sie ging ins Wohnzimmer und setzte sich an ihre
Schreibmaschine. Sie hatte sämtliche ausstehenden Aufträge erledigt und sollte
jetzt eigentlich anfangen, sich etwas für die Cosmopolian -Redakteurin
einfallen zu lassen, doch sie fühlte sich uninspiriert. Sie war zu
niedergeschlagen, um sich ans Telefon zu hängen, der Reihe nach die
Feuilletonchefs anzurufen und sich Arbeit zu besorgen. Es war blödsinnig, sich
niedergeschlagen zu fühlen, sagte sie sich. Sie hatte in der letzten Zeit hart
gearbeitet, und daher hätte sie jetzt lieber jemanden anrufen und sich zum
Mittagessen verabreden oder in eine Ausstellung oder ins Kino gehen sollen. Sie
schlug die Sonntagszeitungen auf, die am Vortag ins Haus geliefert, aber nicht
gelesen worden waren, und dort sah sie sich den Veranstaltungskalender an. Eine
Ausstellung, die sie sich hatte ansehen wollen, war gerade zu Ende. Was Filme
anging, so glaubte sie, lediglich eine seichte amerikanische Komödie verkraften
zu können, aber die Zeit der Filmfestspiele von Cannes war angebrochen, und all
die Filme, bei denen sie das Gefühl hatte, sie sich ansehen zu sollen, waren
verwirrend unverständlich und zudem auch noch Originalfassungen mit
Untertiteln.
Der Mensch, mit dem sie lieber als mit jedem
anderen reden wollte, war Gemma, aber Gemma arbeitete, und Daisy war nicht
sicher, ob die Versöhnung sich schon genügend gefestigt hatte, und daher wollte
sie Gemma lieber nicht stören.
Sie starrte aus dem Fenster. Die Pfützen am
Straßenrand schimmerten spiegelglatt und silbern. Es mußte aufgehört haben zu
regnen. Daisy beschloß, einen Spaziergang zu machen. Sie zog ihre alte
Levisjacke an und stieß die Hände tief in die Taschen. Die Finger ihrer linken
Hand berührten ihren zerrissenen Schlüpfer, den sie gestern dort versteckt
hatte und der noch feucht und klebrig war. Sie zog ihn heraus und hielt in mit
spitzen Fingern weit von sich, als sei er verseucht. Sie machte sich auf den
Weg zur Küche und warf ihn in den Abfalleimer. Es wäre ihr lieber gewesen, ihn
zu verbrennen, doch wenn sie ihn mit der Grillzange über das Gas hielt, würde
sie ihn bestimmt fallen lassen und die ganze Wohnung anzünden.
Die Erinnerung daran, wie Olivers Sperma auf dem
Rückweg durch den Blenheim Palace Park an ihren Beinen runtergelaufen war,
erzeugte Unbehagen. Eine eisige Brise hatte über den See geweht und ihren
kurzen, ausgestellten Rock hochgehoben und ihr nacktes Hinterteil vor aller
Welt enthüllt. Sie glaubte nicht, daß jemand hingesehen hatte, aber sie hatte
sich trotzdem erniedrigt gefühlt. Sowie sie wieder in London angekommen waren,
hatte sie sich ein heißes Bad einlaufen lassen, um die Demütigung von ihrer
Haut zu waschen.
Daisy knallte die Tür hinter sich zu und lief
entschlossen auf die Straße. Als sie den Park erreichte, fing es wieder an zu
regnen. Kein Mensch war zu sehen. Im Regen fühlte sie sich sicherer, wenn sie
allein spazierenging. Bei diesem Wetter wäre nur ein äußerst entschlossener
Perverser draußen rumgelaufen, sagte sie sich, als sie den Teich umrundete und
auf dem Pfad, der in dem Regen zu Schlamm wurde, den Hügel hinaufstieg. Als sie
auf dem Hügel angekommen war, blieb sie stehen und schaute auf ein London
hinab, das in eine graue Wolkendecke gehüllt war. Der Regen prasselte jetzt so
heftig hinunter, daß er ihr Haar flach an den Kopf preßte und in Strömen über
ihre Wangen rann, sogar ihre Ohren füllten sich mit Wasser. Und der Platzregen
hatte die Geräusche der Stadt gedämpft.
Daisy ertappte sich dabei, daß sie alle Lieder
sang, in denen der Regen vorkam.
»It’s raining in my heart!« sang sie zu ihrem
eigenen Erstaunen mit lauter Stimme. »Cry-aye-aye-aye-ing over you!« schallte
es.
»Singing in the rain!« quäkte eine Stimme neben
ihr.
Daisy zuckte zusammen und drehte sich um. Es war
eine Stadtstreicherin, die aus ihrem Unterschlupf unter einem Strauch
hervorgekommen war und von einer Seite auf die andere sprang. Die vielen Lagen
Kleidung, die sie trug,
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