Es ist nicht alles Gold was glänzt
dann auf Wiedersehen bis nächsten Montag zum Abendessen in Stephens Wohnung. Ich will versuchen, bis dahin meinen Plan fertig zu haben.«
James stürzte aus dem Zimmer.
»James!«
Er steckte seinen Kopf noch einmal durch die Tür. Alle sagten wie aus einem Munde: »Phantastisch!«
Er strahlte übers ganze Gesicht, rannte die Treppe hinunter, sprang hinters Steuer seines Alfa Romeo – nunmehr überzeugt, ihn doch behalten zu können – und raste mit Höchstgeschwindigkeit London entgegen.
Er brauchte 59 Minuten von Oxford bis zur King's Road. Dank der neuen Autobahn war das doch ein erheblicher Unterschied zu seinen Studententagen. Damals hatte die Fahrt über High Wycombe oder Henley anderthalb bis zwei Stunden gedauert.
Seine Eile hatte den Grund, daß seine Verabredung mit Anne diesmal von äußerster Wichtigkeit war und er unter keinen Umständen zu spät kommen durfte: denn heute abend sollte er ihrem Vater vorgestellt werden. Er wollte unbedingt einen guten Eindruck machen, besonders, nachdem Annes Wochenende in Tathwell Hall so erfolgreich verlaufen war. Sein Vater hatte sich sofort zu ihr hingezogen gefühlt und war nicht mehr von ihrer Seite gewichen. Sie hatten sogar einen Termin für die Hochzeit festlegen können – vorausgesetzt natürlich, daß Annes Eltern damit einverstanden wären.
James nahm rasch eine kalte Dusche, entfernte seine ganze Schminke und wurde im Verlauf dieser Aktion um etwa sechzig Jahre jünger. Er hatte mit Anne vereinbart, sie vor dem Abendessen zu einem Cocktail in ›Les Ambassadeurs‹ in Mayfair zu treffen, und während er sein Dinner-Jackett anzog, überlegte er, ob er die Strecke von der King's Road zur Hyde Park Corner wohl in 12 Minuten schaffen würde. Er sprang in seinen Wagen, brachte ihn rasch auf Touren, schoß hinunter zum Sloane Square, über den Eaton Square, am St. George Hospital entlang, um Hyde Park Corner in die Park Lane und war um 19.58 Uhr da.
»Guten Abend, Mylord«, sagte der Besitzer des Clubs, Mr. Mills.
»Guten Abend. Ich bin mit Miß Summerton zum Abendessen verabredet, und ich mußte meinen Wagen im Halteverbot stehenlassen – können Sie sich bitte um ihn kümmern?« sagte James und drückte dem Türsteher die Schlüssel und eine Pfundnote in seine weißbehandschuhte Hand.
»Mit Vergnügen, Mylord. Führen Sie Lord Brigsley zu den Séparées.«
James folgte dem Chefportier die rotausgelegte Treppe hinauf in ein kleines Regency-Zimmer, wo der Tisch für drei gedeckt war. Aus dem angrenzenden Raum konnte er Annes Stimme hören. Sie kam durch die Tür und sah in ihrem fließenden maigrünen Kleid noch schöner aus als sonst.
»Hallo, Darling. Komm, ich möchte dich mit Daddy bekannt machen.«
James folgte Anne in das benachbarte Zimmer.
»Papa, das ist James – James, das ist mein Vater.«
James wurde zuerst knallrot, dann kreidebleich, und schließlich fühlte er sich einer Ohnmacht nah.
»Guten Tag, mein Junge. Ich habe von Anne soviel über Sie gehört, daß ich es kaum erwarten konnte, Sie kennenzulernen.«
17
»Nennen Sie mich Harvey«, sagte Annes Vater.
James stand da, entgeistert und sprachlos. Anne brach das Schweigen.
»Möchtest du deinen üblichen Whisky?«
James gewann nur mit Mühe seine Stimme zurück.
»Ja, bitte.«
»Ich möchte alles über Sie wissen«, fuhr Harvey fort. »Was Sie tun und warum ich meine Tochter in den letzten paar Wochen nur so selten gesehen habe – obgleich ich die Antwort darauf nun zu kennen glaube.«
James stürzte seinen Whisky in einem Zug herunter, und Anne schenkte ihm schnell noch einmal ein.
»Du siehst deine Tochter so selten, weil sie als Modell arbeitet und kaum in London ist.«
»Ich weiß, Rosalie …«
»James kennt mich unter dem Namen Anne, Daddy.«
»Wir haben dich Rosalie getauft – das war gut genug für deine Mutter und mich, und es sollte auch für dich gut genug sein.«
»Daddy, wer kann sich schon ein europäisches Top-Modell vorstellen mit einem Namen wie Rosalie Metcalfe! Alle meine Freunde kennen mich als Anne Summerton.«
»Was finden Sie, James?«
»Ich finde allmählich, daß ich sie überhaupt nicht kenne«, entgegnete James, der langsam wieder zu sich kam. Offensichtlich hegte Harvey auch nicht den leisesten Verdacht. Er hatte James weder in der Galerie von Angesicht zu Angesicht, noch hatte er ihn in Monte Carlo oder in Ascot gesehen, und vorhin in Oxford war James als Neunzigjähriger aufgetreten. James nahm daher an, daß er aus dem
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