Es ist nicht alles Gold was glänzt
Neige. Hoffentlich würde er wenigstens noch so lange ausreichen, bis die Pläne ihre Früchte trügen – nicht daß James etwa aus seinen eigenen Anstrengungen automatisch ein Recht auf Erfolg abgeleitet hätte.
Als erstes stellte er fest, daß Anne wunderschön aussah. Sie trug ein langes schwarzes Kleid aus weichem Stoff, das – gerade weil es die Umrisse ihres Körpers nur leicht andeutete – ein quälendes Verlangen in ihm aufsteigen ließ. Sie trug weder Make-up noch Schmuck, und ihr volles Haar glänzte im Kerzenlicht. Das Essen war ein Triumph für Anne, und James begann allmählich, sie heftig zu begehren.
Sie schien etwas nervös zu sein und verschüttete, als sie zwei Tassen starken Kaffees filterte, etwas Kaffeepulver. Woran dachte sie? Er wollte nicht mit unerwünschten Avancen alles verderben. James hatte sehr viel mehr Erfahrung darin, geliebt zu werden und mit Mädchen im Bett zu landen, die ihn im kalten klaren Morgenlicht dann fast schaudern machten. Anne übte eine nie gekannte Wirkung auf ihn aus. Er wollte bei ihr sein, sie in seinen Armen halten und sie lieben. Vor allem wollte er sie am Morgen an seiner Seite finden.
James' Blicken ausweichend, räumte Anne den Tisch ab. Dann machten sie es sich gemütlich bei Kognak und der Billy-Holiday-Platte ›I get along without you very well‹. Sie saß, die Hände um ihre Knie geschlungen, auf dem Boden zu James' Füßen und blickte ins Feuer. Zögernd streckte er eine Hand aus und streichelte ihr Haar. Einen Augenblick lang blieb sie bewegungslos, dann lehnte sie sich zurück, hob ihre Arme und zog seinen Kopf zu dem ihren herunter. Er erwiderte die Geste, indem er sich vorbeugte und ihre Wange und Nase mit seinem Mund liebkoste, während er ihren Kopf in seinen Händen hielt und seine Finger sanft über ihre Ohren und ihren Nacken streichen ließ. Annes Haut duftete leicht nach Jasmin, und ihr geöffneter Mund schimmerte im Widerschein des Feuers, als sie zu ihm auflächelte. Er küßte sie, und seine Hände schoben sich an ihrem Körper entlang. Sie fühlte sich weich und zart an. Er liebkoste sanft ihre Brüste, glitt hinunter neben sie und preßte seinen Körper an den ihren. Wortlos führte er seine Hand auf ihren Rücken und öffnete den Reißverschluß des Kleides. Er stand auf, mit seinen Augen die ihren festhaltend, und entledigte sich rasch der Kleider. Sie streifte seinen Körper mit einem kurzen Blick und sagte leise mit einem scheuen Lächeln: »James – Liebling.«
Später bettete Anne ihren Kopf auf James' Schulter und streichelte die Haare auf seiner Brust mit den Fingerspitzen. Sie merkte, daß etwas mit ihm nicht stimmte.
»Was hast du, mein Liebling? Ich weiß, ich bin ziemlich schüchtern – wahrscheinlich war ich nicht besonders gut.«
»Du warst phantastisch – weiß Gott, du warst phantastisch. Das ist es nicht … Anne, ich muß dir etwas sagen. Bitte bleib liegen und hör mir zu.«
»Du bist verheiratet.«
»Nein, es ist etwas viel Schlimmeres.« James dachte einen Augenblick nach, zündete sich eine Zigarette an und inhalierte tief. Es gibt Augenblicke im Leben, in denen die Umstände Enthüllungen erleichtern. »Anne, Liebes – ich habe eine schreckliche Dummheit gemacht. Ich habe mein ganzes Geld bei einer Bande von Schurken investiert. Noch nicht einmal meine Familie darf davon erfahren – denn wenn sie die Wahrheit wüßten, würde ihnen das furchtbaren Kummer bereiten. Außer mir sitzen drei andere Leute in der gleichen Patsche, und ich habe mich ihnen angeschlossen – wir wollen gemeinsam versuchen, unser Geld zurückzubekommen. Nette Jungens, voller cleverer Einfälle, nur ich habe nicht den blassesten Dunst, wo ich anfangen und wie ich meiner Aufgabe gerecht werden soll. Die ständige Bedrückung, daß 150.000 Pfund beim Teufel sind, und die Tatsache, daß ich mir dauernd das Hirn nach einem guten Einfall zermartere, hat mich schon fast um den Verstand gebracht. Daß ich überhaupt noch halbwegs bei Sinnen bin, verdanke ich allein dir.«
James beichtete ihr die ganze Geschichte von der Prospecta Oil, angefangen bei seiner Begegnung mit David Kesler im ›Annabel's‹ über die Dinner-Einladung bei Stephen Bradley im Magdalen College bis zu der Erklärung, warum er während der Stoßzeit wie ein Verrückter mit einem gemieteten Lieferwagen durch London gerast war. Das einzige Detail, das James ausließ, war der Name ihres potentiellen Opfers, da er glaubte, wenn er ihr diesen vorenthielt,
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