Es ist nicht alles Gold was glänzt
seine Schweigepflicht gegenüber seinen Teamgenossen wenigstens nicht völlig zu verletzen. Nach einem langen, tiefen Atemzug meinte Anne: »Ich weiß kaum, was ich dazu sagen soll. Das klingt ja einfach unglaublich – so unglaublich, daß ich jedes Wort davon glaube.«
»Jetzt, wo ich dir davon erzählt habe, geht es mir besser. Aber es wäre einfach furchtbar, wenn das jemals herauskäme.«
»James, du weißt doch, daß ich niemandem ein Sterbenswörtchen sagen werde. Es tut mir so schrecklich leid, daß du in dieser scheußlichen Lage bist. Du mußt mich versuchen lassen, dir irgendwie zu helfen. Warum arbeiten wir nicht einfach gemeinsam daran – die anderen brauchen das doch gar nicht zu wissen.«
Sie begann, seinen Schenkel zu streicheln. Zwanzig Minuten später schlummerten sie selig ein.
9
In Lincoln, Massachusetts, traf Harvey Metcalfe Vorbereitungen für seine jährliche Englandreise. Er hatte die Absicht, sich gründlich und teuer zu amüsieren. Außerdem trug er sich mit dem Plan, Geld von seinen Nummernkonten in Zürich auf die Barclays Bank in London zu transferieren, um einen Zuchthengst von einem der irischen Rennställe für sein Gestüt in Kentucky zu erwerben. Arlene hatte beschlossen, ihn auf dieser Reise nicht zu begleiten – sie machte sich wenig aus Ascot und noch weniger aus Monte Carlo. Auf jeden Fall wollte sie die Gelegenheit wahrnehmen, um einige Zeit mit ihrer kränkelnden Mutter, die immer noch nicht viel für den Schwiegersohn übrig hatte, in Vermont zu verbringen.
Harvey prüfte bei seiner Sekretärin nach, ob alle Vorkehrungen für seinen Urlaub getroffen waren. Bei Miß Fish bedurfte es im Grunde niemals einer Überprüfung – Harvey tat das aus purer Gewohnheit. Miß Fish war seit fünfundzwanzig Jahren bei ihm, seit den Tagen, als er den Lincoln Trust übernommen hatte. Die meisten Angestellten waren damals oder bald darauf davongelaufen, aber Miß Fish war geblieben und hatte in ihrem wenig verführerischen Busen stetig abnehmende Hoffnungen auf eine Heirat mit Harvey gehegt. Als Arlene schließlich die Szene betrat, war Miß Fish zu einer fähigen und absolut diskreten Komplicin geworden, ohne die Harvey kaum mehr hätte auskommen können. Er bezahlte sie entsprechend, und so schluckte sie ihren Kummer darüber, daß Arlene Mrs. Metcalfe wurde, hinunter und blieb. Miß Fish hatte den kurzen Flug nach New York und die Trafalgar-Suite auf der Queen Elizabeth 2 bereits gebucht. Die Atlantik-Überfahrt war für Harvey praktisch die einzige Zeit völligen Abschaltens von Telefon und Telex, die er sich jemals gestattete. Seine Bankangestellten waren angewiesen, nur im alleräußersten Notfall mit dem Ozeanriesen Verbindung aufzunehmen. Bei der Ankunft in Southampton würde ihn der übliche Rolls-Royce nach London und zu seiner Privatsuite ins Claridge bringen, das nach Harveys Urteil – außer dem Connaught und dem Browns – eines der letzten stilvollen englischen Hotels war, deren Flair mit Geld allein nicht aufzuwiegen war.
Harvey flog äußerst gut gelaunt nach New York und trank unterwegs einige Manhattans über den Durst. An Bord war, wie immer, alles seinen Wünschen entsprechend tadellos vorbereitet worden. Der Kapitän, Peter Jackson, pflegte die Bewohner der Trafalgar-Suite und der Queen-Anne-Suite am ersten Abend stets an seinen Tisch zu bitten. Für 1.250 Dollar pro Tag je Suite war das kaum eine extravagante Geste seitens der Cunard Linie zu nennen. Bei derartigen Anlässen kehrte Harvey immer sein feinstes Benehmen hervor – aber selbst das wurde von den meisten Augenzeugen als etwas gewöhnlich empfunden.
Einer der italienischen Stewards wurde abkommandiert, eine kleine Zerstreuung für Harvey zu arrangieren, nach Möglichkeit in Form einer großen vollbusigen Blondine. Der übliche Tarif pro Nacht betrug 100 Dollar, aber der Italiener konnte Harvey ohne jedes Risiko 150 Dollar abknöpfen. Mit 1,70 Meter Größe und fast zwei Zentnern Gewicht waren Harveys Chancen, ein junges Ding in der Diskothek aufzugabeln, nicht übermäßig groß, und da er sich dann ja auch bei Essen und Trinken hätte spendabel zeigen müssen, wäre ihn dieser Spaß fast ebenso teuer gekommen, ohne womöglich auch nur das geringste zu erreichen. Männer in Harveys Position haben keine Zeit für derartige Fehlschläge, wissen aber auch, daß alles seinen Preis hat. Da die Überfahrt nur fünf Nächte hatte, konnte der Steward Harveys Bedarf vollauf decken, war allerdings auch
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