Es ist nicht alles Gold was glänzt
Nun also, Jörg, ich rechne damit, daß ich in den nächsten sechs Wochen ungefähr 2 Millionen Dollar brauchen werde. Ich möchte ein oder zwei Bilder in London erstehen. Da habe ich einen Klee gesehen, der mir nicht übel gefällt, und außerdem muß ich noch einige Galerien abklappern. Hätte ich geahnt, daß die Prospecta-Oil-Angelegenheit so phantastisch laufen würde, hätte ich Armand Hammer letztes Jahr bei Sotheby Parke Bernet für den van Gogh überboten. Außerdem brauche ich etwas flüssiges Geld für den Kauf einiger neuer Pferde bei den Ascot Blood Stock Auctions. Meine Zucht ist nicht mehr ganz auf der Höhe, und es ist immer noch mit mein größter Ehrgeiz, die King George and Elizabeth Stakes zu gewinnen. (James hätte sich in Qualen gewunden, wäre er Zeuge der Ungenauigkeit gewesen, mit der Harvey dieses berühmte Rennen betitelte.) Wie du weißt, war das Beste, was ich bisher erreichen konnte, der dritte Platz, und der reicht mir keineswegs. Dieses Jahr habe ich Rosalie gemeldet – meine beste Chance seit relativ langer Zeit. Wenn ich verliere, muß ich die Zucht regenerieren, aber ich werde einfach verdammt noch mal gewinnen dieses Jahr.«
»Spiel für Mrs. King, Mrs. King in Führung mit dem ersten Satz und mit 4:1 im zweiten Satz.«
»Mrs. King ebenfalls, wie mir scheint«, bemerkte Birrer. »Ich werde meinen Hauptkassierer informieren, daß du während der nächsten paar Wochen größere Summen abzuheben gedenkst.«
»Aber ich will den Rest nicht untätig herumliegen lassen, und deshalb möchte ich, daß du im Laufe der nächsten paar Monate vorsichtig noch mehr Gold kaufst mit dem Ziel, es im neuen Jahr wieder abzustoßen. Sollte der Markt eine plötzliche Wende nehmen, rufe ich dich in Zürich an. Jeden Tag nach Geschäftsschluß ist der überschüssige Habensaldo auf Übernacht-Basis an erstklassige Banken und Tophandelsfirmen zu verleihen.«
»Was willst du mit alldem tun, Harvey – falls diese Zigarren da dich nicht vorher umbringen?«
»Ach hör auf, Jörg, du redest wie mein Doktor. Ich habe dir hundertmal gesagt, daß ich mich nächstes Jahr zurückziehe. Ich höre auf – finito.«
»Ich sehe dich noch nicht freiwillig aus dem Rennen ausscheiden und der Konkurrenz das Feld überlassen, Harvey. Nur frage ich mich mit einiger Sorge, wie schwer du jetzt, in Geld ausgedrückt, bist.«
Harvey lachte. »Das kann ich dir nicht genau sagen, Jörg. Um mit Aristoteles Onassis zu sprechen: Solange man's zählen kann, besitzt man nichts.«
»Spiel für Mrs. King. Mrs. King führt mit dem ersten Satz und mit 5:1 im zweiten Satz.«
»Wie geht es Rosalie? Wir haben immer noch deine Anweisung, die Konten auf sie zu überschreiben, wenn dir irgend etwas zustoßen sollte.«
»Rosalie geht es blendend. Hat mich heute morgen angerufen, sie könne nicht mit mir nach Wimbledon kommen, da sie arbeiten müsse. Ich nehme an, sie wird auf jeden Fall einen reichen Amerikaner heiraten, und dann braucht sie die Piepen sowieso nicht. Es haben ihr ja auch schon genug einen Antrag gemacht. Sicher nicht leicht für sie herauszubekommen, ob sie hinter ihr oder hinter meinem Geld her sind. Wir hatten leider vor ein paar Jahren einen Krach deswegen, und ich fürchte, sie hat mir noch immer nicht verziehen.«
»Spiel, Satz und Sieg für Mrs. King: 6:1, 6:1.«
Harvey, Jörg, James und Anne applaudierten mit der Menge, während die beiden Spielerinnen, mit einem Knicks vor dem Präsidenten des All England Club, seiner königlichen Hoheit dem Herzog von Kent in der königlichen Loge, den Platz verließen.
Harvey und Jörg Birrer blieben, um sich das nächste Match, ein Doppel, anzusehen, und kehrten dann zu einem gemeinsamen Abendessen ins Claridge zurück.
James und Anne hatten ihren Nachmittag in Wimbledon genossen und fuhren, nachdem sie sich davon überzeugt hatten, daß Harvey in Begleitung seines kontinentaleuropäischen Freundes sicher im Claridge gelandet war, zu Annes Wohnung.
»Stephen, ich bin wieder zurück. Metcalfe hat sich für die Nacht zurückgezogen – Appell morgen früh 8.30 Uhr.«
»Gut gemacht, James. Vielleicht beißt er morgen an.«
»Hoffen wir's.«
Auf der Suche nach Anne folgte James dem Geräusch laufenden Wassers in die Küche. Anne war dabei, eine Pfanne mit Stahlwolle zu bearbeiten, und ihre Arme steckten bis zu den Ellbogen im schäumenden Spülwasser. Sie drehte sich um und fuchtelte mit der Pfanne vorwurfsvoll vor seinen Augen herum.
»Liebling, ich möchte deine
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