Es ist nicht alles Gold was glänzt
um – Harvey geht ungefähr 50 Meter hinter dir, und ich bin etwas mehr als 50 Meter hinter ihm«, sagte Adrian.
»Ist Zimmer 120 frei?«
»Ja, Sir, heute morgen gerade frei geworden – aber ich bin nicht sicher, ob das Zimmer schon fertig ist. Möglicherweise macht das Mädchen gerade sauber. Ich werde eben mal nachsehen, Sir«, sagte der große schlanke Empfangschef im Stresemann – einer Kleidung, die darauf hindeutete, daß er zu den ranghöheren Angestellten zählte.
»Ach, machen Sie sich deshalb keine Mühe«, sagte James. »Ich habe immer dieses Zimmer. Können Sie es mir für eine Nacht reservieren – mein Name ist Drosser, Helmut Drosser.«
Er steckte dem Empfangschef eine Pfundnote zu.
»Selbstverständlich, Sir.«
»Das ist die Park Lane, Stephen. Schau nach rechts – das große Hotel an der Ecke vor deinen Augen ist das Dorchester. Das Halbrund dir gegenüber ist der Haupteingang. Geh die Treppe hinauf und durch die Drehtür – der Empfang befindet sich gleich rechts. James müßte bereits dort sein.«
Heute kam es Adrian zustatten, daß das alljährliche Dinner der Royal Society of Medicine letztes Jahr im Dorchester stattgefunden hatte.
»Wo ist Harvey?« jammerte Stephen.
»Nur etwa 40 Meter hinter dir.«
Stephen beschleunigte seine Schritte, lief die Stufen des Dorchester hinauf und eilte so schnell durch die Drehtür, daß die Gäste, die gerade hinausgehen wollten, sich schneller auf der Straße fanden, als sie ursprünglich geplant hatten. Gott sei Dank: James wartete schon mit einem Schlüssel in der Hand.
»Der Lift ist da drüben«, sagte James, ihm die Richtung weisend. »Ausgerechnet du mußtest dir natürlich eine der teuersten Suiten des Hotels aussuchen.«
Stephen blickte in die von James angegebene Richtung, wandte sich dann um und wollte sich bedanken. Aber James steuerte bereits auf die American Bar zu – er wollte unter allen Umständen die Bildfläche verlassen haben, wenn Harvey Metcalfe auftauchte.
Stephen verließ den Lift und ging zu Zimmer 120 im ersten Stock. Das Dorchester, das er nie zuvor betreten hatte, war ebenso konservativ wie das Claridge, und der dicke königsblau-goldene Teppich führte zu einer prachtvoll gelegenen Ecksuite mit Blick über den Hyde Park. Er ließ sich in einen Sessel fallen und harrte – reichlich verunsichert – der Dinge, die da kommen sollten. Einfach nichts war planmäßig verlaufen.
Jean-Pierre wartete in der Galerie, James saß in der American Bar und Adrian hing neben der Park-Lane-Filiale von Barclays Bank herum, einen Pseudo-Tudor-Bau, etwa 50 Meter vom Eingang des Dorchester entfernt.
»Wohnt bei Ihnen ein Mr. Drosser? Ich glaube, Zimmer 120«, bellte Harvey.
Der Empfangschef suchte und fand den Namen.
»Ja, Sir. Werden Sie erwartet?«
»Nein, aber ich möchte ihn kurz über das Haustelefon sprechen.«
»Selbstverständlich, Sir. Bitte, gehen Sie durch den kleinen Torbogen gleich hier links, dahinter finden sie fünf Telefone – eines davon ist das Haustelefon.«
Harvey marschierte, wie angewiesen, durch den Torbogen. »Zimmer 120«, befahl er dem jungen Mann in der Vermittlung, der in einem kleinen abgeteilten Raum für sich saß und die grüne Dorchesteruniform mit einer goldenen Burg auf den Jackenrevers trug.
»Kabine Nr. 1, Sir, bitte.«
»Mr. Drosser?«
»Am Apparat«, sagte Stephen unter Aufbietung aller seiner Kräfte und seines härtesten deutschen Akzents.
»Dürfte ich vielleicht hinaufkommen und Sie einen Augenblick sprechen? Mein Name ist Harvey Metcalfe. Es handelt sich um den van Gogh, den Sie heute morgen gekauft haben.«
»Hm, im Moment geht es eigentlich schlecht. Ich wollte gerade eine Dusche nehmen, und außerdem habe ich eine Verabredung zum Lunch.«
»Ich werde Sie nur ein paar Minuten aufhalten.«
Bevor Stephen antworten konnte, hatte Harvey eingehängt. Ein paar Sekunden später klopfte es an der Tür – Stephen öffnete nervös. Er hatte einen weißen Hotel-Bademantel an, und sein braunes Haar war etwas zerzaust und dunkler als gewöhnlich. Es war die einzige Verkleidung, die er sich in der kurzen Zeit hatte ausdenken können, denn im ursprünglichen Plan war eine Begegnung Aug' in Auge mit Harvey nicht vorgesehen gewesen.
»Ist mir peinlich, so bei Ihnen einzubrechen, Mr. Drosser, aber ich mußte Sie unbedingt sofort sprechen. Ich weiß, daß Sie gerade einen van Gogh von der Lamanns-Galerie erworben haben, und ich kam in der Hoffnung, daß Sie – da Sie ja
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