Es ist nicht alles Gold was glänzt
Kurz nach 2 Uhr morgens waren sie alle wieder auf Zimmer 217 versammelt.
»Was für ein verdammt blödsinniger Fehler. Merde, merde, merde … Daran hätte ich unbedingt denken müssen!«
»Nein, das ist meine Schuld. Ich habe nicht gewußt, wie Casinos arbeiten, und bei den Proben hätte ich das einkalkulieren müssen«, sagte Adrian, über seinen frisch gewachsenen Schnurrbart streichend.
»Es ist niemandes Schuld«, fiel Stephen ein. »Wir haben immer noch drei Nächte und dürfen auf keinen Fall den Kopf verlieren. Wir müssen uns überlegen, wie wir mit dem Platzproblem fertig werden. Aber zunächst schlafen wir alle einmal und kommen dann um 10 Uhr in diesem Zimmer wieder zusammen.«
Leicht deprimiert trennten sie sich. Adrian hatte stundenlang im Hotel auf Kohlen gesessen, James frierend und sich langweilend auf dem Klinikparkplatz gewartet, Stephen konnte Tomatensaft nicht mehr sehen, und Jean-Pierre hatte sich die ganze Zeit neben dem Baccarat-Tisch die Beine in den Leib gestanden und auf einen Platz gewartet, der noch nicht einmal zu haben war.
Harvey rekelte sich wieder in der Sonne. Seine Haut war nun hellrosa, und er hoffte, gegen Ende der Woche würde sie eine bessere Farbe haben. Die ›New York Times‹ setzte ihn davon in Kenntnis, daß Gold noch immer im Steigen begriffen war, daß die Deutsche Mark und der Schweizer Franken fest blieben, während der Dollar gegenüber jeder anderen Währung, das Pfund Sterling ausgenommen, fiel. Das Pfund Sterling stand bei 2,42 Dollar: Harvey fand, 1,80 Dollar sei ein realistischerer Preis, und je eher das Pfund diesen erreichte, desto besser.
Da gibt's also nichts Neues, dachte er, als das für ein französisches Telefon typische durchdringende Klingeln ihn auffahren ließ. Er konnte sich nie an das Telefonläuten eines anderen Landes gewöhnen. Der aufmerksame Steward kam, den Apparat an einer Verlängerungsschnur in der Hand, an Deck geeilt.
»Hi, Lloyd. Wußte gar nicht, daß du in Monte bist … Warum treffen wir uns nicht? … 8 Uhr heute abend? … Ich auch – bin sogar schon etwas braun … Man wird wahrscheinlich älter … Was? … Großartig, also bis dann.«
Harvey legte den Hörer auf und bat den Steward um einen großen Whisky on the rocks. Dann wandte er sich vergnügt wieder den schlechten Finanznachrichten des Tages zu.
»Das scheint die einleuchtendste Lösung zu sein«, meinte Stephen.
Alle nickten zustimmend.
»Jean-Pierre wird den Baccarat-Tisch aufgeben, sich einen Platz neben Harvey Metcalfe an seinem Blackjack-Tisch im Salon des Amériques reservieren lassen und abwarten, bis er das Spiel wechselt. Wir wissen, auf welcher Platznummer an den beiden Spieltischen Harvey jeweils zu sitzen pflegt, also können wir unseren Plan entsprechend abändern.«
Jean-Pierre wählte die Nummer des Casinos und verlangte Pierre Cattalano zu sprechen.
»Reservieren Sie mir bitte Platz Nr. 2 am zweiten Blackjack-Tisch für heute und morgen abend.«
»Ich glaube, daß dieser Platz bereits reserviert ist, Monsieur. Einen Moment bitte, ich werde nachsehen.«
»Vielleicht machen ihn hundert Francs frei«, erwiderte Jean-Pierre.
»Aber gewiß, Monsieur, wenn Sie freundlicherweise heute abend zu mir kommen, werde ich mich um alles kümmern.«
»Merci«, sagte Jean-Pierre und legte den Hörer auf. »Das hätten wir also.«
Jean-Pierre schwitzte sichtlich; wäre der Ausgang seines Telefonats allerdings nicht von solcher Tragweite gewesen, hätten wegen eines so simplen Ersuchens keine Schweißperlen auf seiner Stirn gestanden. Alle begaben sich wieder auf ihre Zimmer.
Kurz nach Mitternacht wartete Adrian in aller Stille auf Zimmer 217, James stand auf dem Parkplatz herum und summte »I get along without you very well«, Stephen saß an der Bar des Salons des Amériques wieder einmal vor einem Tomatensaft, und Jean-Pierre war auf Platz Nr. 2 am Tisch Nr. 2 installiert und spielte Blackjack. Sowohl Stephen wie Jean-Pierre sahen, wie Harvey mit einem Mann in einer auffallenden karierten Jacke – nur ein Texaner konnte imstande sein, solch ein Jackett außerhalb seines eigenen Vorgartens zu tragen – plaudernd zur Tür hereinkam. Harvey und sein Freund ließen sich am Baccarat-Tisch nieder. Jean-Pierre zog sich eilig an die Bar zurück.
»Doch nicht schon wieder! Ich geb's auf.«
»Nein, das wirst du nicht tun!« flüsterte Stephen. »Zurück ins Hotel.«
Es herrschte eine niedergeschlagene Stimmung, als alle wieder auf Zimmer 217
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