Es ist nicht alles Gold...
zuzuhören. Ich gebe Ihnen
genau achtundvierzig Stunden, um diese Warenbestandsaufnahme abzuschließen und
den Laden zu räumen. Übermorgen mittag um zwölf Uhr spätestens sind Sie
draußen.
Wenn ich sehen oder davon hören sollte,
daß Sie mit irgendeiner Person sprechen, die mit dem Fall zu tun hat, oder daß
Sie jemanden wie die Hemphill-Leute oder Mrs. Ingalls belästigen, werde ich
persönlich dafür sorgen, daß Sie nie wieder als Detektivin arbeiten. Sie können
dann ins Kaufhaus zurückkehren, wo Sie meiner Meinung nach sowieso hingehören,
und Kleider bewachen.«
Ich konnte nur stumm einen Schritt
zurückweichen. »Außerdem«, fuhr Marcus fort, »wird das Haus von jetzt an rund
um die Uhr überwacht werden, falls Ihr sogenannter Mörder zurückkommt. Ich
möchte nicht schuld daran sein, wenn Sie niedergestochen werden, während Sie
hier dieses Gerümpel zählen.«
Er hatte sich über meine Vermutung, daß
der nächtliche Eindringling und der Mörder dieselbe Person sein könnten, lustig
gemacht, doch er maß ihr immerhin soviel Bedeutung bei, daß er den Laden
überwachen lassen wollte.
Ich sah auf meine Uhr. »Es ist ein
Uhr.«
»Wie?« Marcus, schon auf dem Weg zur
Tür, drehte sich um.
»Sie sprachen von achtundvierzig
Stunden. Das ist übermorgen dreizehn Uhr, nicht um zwölf.«
Unterschiedliche Emotionen stritten in
seinem Gesicht — Zorn, Ärger, eine Spur von Bewunderung. Der Ärger siegte.
»Sie sind unbelehrbar, wie?« Damit
wandte er sich ab und ging.
»Ganz recht«, sagte ich in den leeren
Laden hinein. »Ich bin unbelehrbar.«
Ich hatte achtundvierzig Stunden Zeit.
Marcus hatte die Zeit, die ich für die Bestandsaufnahme brauchen würde, weit
überschätzt. Wenn ich mich beeilte, konnte ich schon am Nachmittag fertig sein.
Dann blieben mir beinahe zwei volle Tage, um nach Joans Mörder zu suchen und
ihn eventuell sogar zu finden.
Und, dachte ich düster, um wieder in
der Damenkonfektion zu landen.
12
Am besten war es natürlich, Greg Marcus’
Pfade in den kommenden achtundvierzig Stunden nicht zu kreuzen. Ich war recht
zuversichtlich, daß mir das gelingen würde. Der Lieutenant würde sich nämlich
meinen Vermutungen nach ganz darauf konzentrieren, Charlie Cornish den Mord
nachzuweisen. Während ich meine Zeit völlig anders zu nutzen gedachte.
Da ich die Inventur schnell abschließen
wollte, machte ich mich im Hinterzimmer auf die Suche nach Joans Aufzeichnungen
über ihre Einkäufe. In einem alten Schiffskoffer entdeckte ich schließlich ein
blaues Buch mit der Aufschrift »Eingekaufte Waren« auf dem Deckel. Ich nahm es
mit ins Vorderzimmer und verglich die Eintragungen mit denen auf meinen Listen.
Gegen Abend hatte ich nahezu allen
Objekten im Laden einen Wert zugemessen, der sich an dem von Joan ursprünglich
bezahlten Preis orientierte. Ausgenommen waren: Edwin; Bruno; fünf Gemälde
einschließlich der Madonna an Edwins Wand; die dolchähnlichen Messer mit den
Beingriffen, von denen eines, die Mordwaffe, fehlte.
In dem Buch waren nur die Einkäufe der
letzten fünf Jahre verzeichnet, deshalb versuchte ich mein Glück noch einmal in
dem Überseekoffer und stieß wirklich unter einem Wust von Büromaterial,
Visitenkarten und alten Einkommensteuerbescheiden auf ein zweites Buch, das
noch einmal sieben Jahre zurückreichte. Auf Seite drei entdeckte ich die
Eintragung, »1 ausgestopfter Hd., Teil eines von Bigby bei Versteigerungen
erworbenen Postens — an Bigby bez. 17,50 Dollar.«
Bruno hatte also zu einem Warenposten
gehört, den Joan draußen in Contra Costa County für Austin Bigby erstanden
hatte, den kleinen rothaarigen Händler, der seinen Laden ein paar Häuser weiter
hatte. Ich mußte lächeln bei der Vorstellung, wie Bigby angesichts Brunos auf
seine bekannte Art wie ein Rohrspatz zu schimpfen begonnen und dem Hund
schließlich seinen Laden verboten hatte. Joan hatte ihm dieses außergewöhnliche
Objekt wahrscheinlich nur um des lieben Friedens willen abgekauft.
Mit Hilfe dieses Buches würden sich
wahrscheinlich auch die letzten Fragen noch klären lassen — ein Glück, denn
jetzt hatte ich es eilig, endlich aus dem Laden heraus- und mit meinen
Mordermittlungen weiterzukommen. Außerdem war ich hungrig; seit der Tafel
Schokolade war eine lange Zeit vergangen. Ich beschloß, die beiden Bücher und
die Gemälde einfach mit nach Hause zu nehmen und dort weiterzuarbeiten. Edwin
und die Messer brauchte ich nicht; wie die aussahen, wußte ich. Ich
Weitere Kostenlose Bücher