Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Es ist nicht alles Gold...

Es ist nicht alles Gold...

Titel: Es ist nicht alles Gold... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
Vom Netzwerk:
Lautstärke war das Ding
eingestellt?«
    »Stand ungefähr auf fünf.«
    Marcus nickte. »Das ist so laut, daß es
so ziemlich alle anderen Geräusche übertönt.«
    Er trat zu dem Toten. Ich blieb erst
zurück, folgte dann widerwillig. Marcus hob einen Zipfel des Leintuchs, und ich
sah van Osten, wie er bäuchlings dalag, den Kopf zur Seite gedreht, einen Arm
ausgestreckt, die Finger in einem letzten verzweifelten Versuch zu greifen
gespreizt. Das Gesicht war eine Maske des Entsetzens, die Augen waren starr.
Selbst im Tod waren diese Augen ausdrucksleer.
    Ich holte einmal tief Atem, und Marcus
sah mich an. »Geht’s?«
    Ich zitterte und hatte Angst, ich würde
zu hyperventilieren anfangen. Ich zwang mich, flach und in geräumigen Abständen
zu atmen.
    »So gut, wie Sie dachten, gefallen
Ihnen Leichen wohl doch nicht, hm?« fragte er sachte.
    »Mir haben Leichen noch nie gefallen,
auch wenn ich schon einige gesehen habe.«
    »Mir auch nicht.« Er ließ das Tuch
herabfallen und führte mich von dem Toten weg zu Gallagher, den er nach den
Nachbarn fragte.
    Gallagher berichtete, keiner hätte
etwas gehört.
    »Das Wäldchen auf der anderen
Straßenseite schirmt das Haus ziemlich gut ab. Auf fremde Autos achten die
Leute hier nicht, weil drüben an der Ecke gleich ein Motel ist und ein Stück
weiter das Cliff House.«
    »Und wie ist es mit Autos, die bekannt
sind?« fragte ich. »Ist vielleicht jemandem ein Wagen aufgefallen, der häufig
kam?«
    Gallagher sah mich verdattert an. Er
war ein äußerst ernsthafter junger Mann, und es machte ihm unverkennbar zu
schaffen, daß er einfach nicht dahinterkam, was ich hier zu tun hatte. Nach ein
paar Sekunden verneinte er meine Frage.
    Marcus sah mich mit einem Schimmer von
Belustigung an und sagte: »Sie denken das gleiche wie ich, hm?«
    »Ja. Van Ostens wahrscheinlicher
Partner war mindestens einmal hier, vielleicht auch viel öfter. Er könnte den
Verdacht gehabt haben, daß van Osten den Bellini an sich genommen hatte.
Schauen Sie doch, wie die Gemälde aufgeschlitzt worden sind. Ganz vorsichtig.«
Ich wies auf die Schnitte in einem der auf dem Boden liegenden Bilder. Marcus
nickte. »Vorsichtig, um das, was sich eventuell darunter verbarg, nicht zu
beschädigen.« Einen Moment lang blickten wir stumm auf das Bild hinunter, dann
sagte Marcus: »Gut, Gallagher hat hier alles unter Kontrolle. Ich schlage vor,
wir sprechen jetzt mal mit der Freundin, dieser Dorothy Brosig.«
    Wir gingen in die Wohnung gegenüber.
Eine zierliche, dunkelhaarige Frau in einem blauen Chenillebademantel saß mit
gesenktem Kopf auf der Couch. Als wir kamen, schaute sie uns an. Ihr Gesicht
war tränennaß. Sie war etwa Anfang Dreißig, attraktiv auf eine recht herbe Art.
»Mrs. Brosig?« Marcus’ Stimme war teilnahmsvoll. »Ich bin Lieutenant Marcus vom
Morddezernat, und das ist Miss McCone. Wir würden Ihnen gern einige Fragen
stellen.«
    Sie zuckte müde die Achseln.
    »Ich habe dem anderen Beamten schon
alles erzählt, aber bitte, fragen Sie, wenn es sein muß.«
    »Danke.« Marcus setzte sich auf das
Sofa, ich hockte mich auf die Kante des nächststehenden Sessels. »Erwarteten
Sie, Mr. van Osten heute abend zu sehen?«
    Sie seufzte. »Wir hatten keine festen
Pläne, aber wir tranken abends oft ein Glas zusammen.«
    »Mr. van Osten hatte also Ihres Wissens
vor, den Abend zu Hause zu verbringen?«
    »Nein. Ich dachte, er wäre verabredet,
aber ich hatte mich anscheinend getäuscht. Als ich nach Hause kam, brannte
Licht bei ihm, und das Radio lief.«
    »Wann war das?«
    »Gegen neun. Ich habe Überstunden
gemacht — ich bin bei der Crocker Bank. Ich hatte mir etwas zu essen
mitgebracht. Nachdem ich gegessen hatte, zog ich mich um und ging zu Oliver
hinüber. Aber — er war tot.« Tränen schossen ihr in die Augen.
    Marcus nickte mitfühlend. »Warum
glaubten Sie, Mr. van Osten wäre für den Abend verabredet gewesen?«
    »Ach, das war eigentlich nur eine
Vermutung. Ich schloß es aus einer Bemerkung, die er machte, als er mich heute
nachmittag im Büro anrief. Wissen Sie, wir wollten gemeinsam nach Mexiko
reisen, und ich sollte über das Reisebüro der Bank alles buchen. Heute
nachmittag rief Oliver an und sagte, ich solle noch warten, weil er noch ein
Geschäft laufen hätte und nicht wisse, wie lang er für den Abschluß brauchen
würde. Er sagte, er würde vielleicht heute abend schon mehr wissen, ganz sicher
aber bis zum Wochenende. Daraus schloß ich, daß er vorhatte, jemanden zu

Weitere Kostenlose Bücher