Es ist nicht alles Gold...
treffen.«
Marcus und ich tauschten einen Blick. Die letzte Sendung an Joan Albritton
würde bis zum Wochenende hiersein. »Hat er etwas darüber gesagt, was das für
ein Geschäft war?« fragte Marcus Dorothy Brosig.
»Nein. Wir sprachen kaum über
geschäftliche Dinge. Ich kannte nicht einmal seine Kunden, außer der alten
Dame.«
»Welche alte Dame?« fragte Marcus.
»Die, die neulich nachts umgebracht
wurde. Ich meine, ich kannte sie nicht persönlich, aber ich hatte von ihr
gehört. Oliver sagte, sie wäre eine gute Kundin gewesen, und durch ihren Tod
würde er eine ziemliche Einbuße erleiden.« Dorothy runzelte die Stirn. »Und
dann machte er eine ganz merkwürdige Bemerkung. Er sagte nämlich, wenn einem
jemand eine Zitrone in die Hand drücke, dann solle man sie ausquetschen und Saft
machen. Genau das würde er tun, erklärte er. Aus dem Tod der alten Dame Saft
machen.«
»Fragten Sie ihn auch, was er damit
meinte?«
»Ich? Nein!« Dorothy schien beinahe
entsetzt. »Das ging mich doch nichts an. Sehen Sie, Oliver redet — redete gern,
aber im Grund sprach er nicht mit mir, sondern mit sich selber.«
Sie war die ideale Frau für van Osten:
gehorsam, nicht neugierig und nicht allzu intelligent. Ich revidierte meine
frühere Theorie. Es hörte sich jetzt so an, als hätte van Osten Joan nicht
selbst getötet, aber den Mörder gekannt.
Marcus fragte weiter. Ob Dorothy an
diesem Abend jemanden gesehen, ob sie etwas gehört hätte? Wer van Ostens
Freunde waren. In welcher seelischer Verfassung er in letzter Zeit gewesen war.
Wie es um seine Finanzen stand. Ihre Antworten waren unergiebig.
Schließlich stand Marcus auf, bat sie,
sich zu melden, wenn ihr noch etwas Wichtiges einfallen sollte, und
verabschiedete sich. Gemeinsam gingen wir aus dem Haus. Die Neugierigen hatten
sich inzwischen zerstreut.
Als wir im Wagen saßen, trommelte
Marcus eine Weile schweigend aufs Steuerrad. Schließlich sagte er: »Haben Sie
auch soeben Ihre Ansicht geändert?«
»Sie meinen, ob ich glaube, daß Ben
Harmon beide getötet hat? Ich weiß nicht.«
Marcus sah mich nachdenklich an und erwiderte:
»Also, heute abend schicke ich erst einmal meine Leute in van Ostens Büro, und
morgen setze ich mich mit den Freunden vom Zoll in Verbindung und nehme die
Lieferung für van Osten in Empfang. Ich werde sie durchsuchen lassen, und wenn
das mit der Schmuggelei stimmt, lasse ich Harmon festnehmen. Vielleicht wird er
weich, wenn ihm klar wird, daß wir von seiner Beziehung zu van Osten wissen. Es
wäre schön, wenn ich das Messer mit dem Beingriff bei ihm finden würde.«
Er ließ den Wagen an, wendete und fuhr
zur Stadt zurück. Ich fühlte mich plötzlich völlig ausgepumpt und döste vor
mich hin, bis er vor seinem Haus anhielt.
»Haben Sie Lust, noch auf einen Drink
hereinzukommen?« fragte er.
Ich überlegte, schüttelte dann den
Kopf. »Jetzt noch Alkohol, und ich wäre völlig am Boden zerstört. Nein, jetzt
brauche ich erst mal eine Mütze voll Schlaf.«
Er sah mich mit einem langen, sinnenden
Blick an, dann beugte er sich herüber, als wollte er mir die Tür öffnen. Er
hielt inne, den Arm um meine Schultern.
»Wenn diese Sache erledigt ist«, sagte
er, »würde ich Sie gern wiedersehen. Privat. Ich kann Ihnen eine Menge über
Rembrandt und Cézanne beibringen und...« Er zögerte.
Ich neigte den Kopf nach rückwärts und
sah ihm in die Augen. Sie waren ernst. »Und?«
»Und Sie können mir auch einiges
beibringen.« Er sagte es beinahe grollend.
Ich hätte gern gelächelt, aber ich
spürte, daß er Mühe hatte, seine Gedanken auszusprechen.
»Zum Beispiel?« fragte ich.
»Na ja, wie das so ist mit zwei starken
Menschen...« Wieder hielt er inne, ohne aber dabei den Blick von mir zu wenden.
»Ich meine, wie zwei solche Menschen miteinander leben können, ohne sich
gegenseitig ständig niederzumachen oder sich zu zerfleischen.«
Ich lächelte. »Ich wäre bereit, das mal
zu versuchen.«
Sein Kuß war ein Angebot, keine
Forderung. Ich nahm es an.
Ich lehnte meinen Kopf an seinen Arm,
benommen von einer Mischung aus Erschöpfung und Verlangen. Aber Greg schaffte
es so wenig wie ich, sich über längere Zeiten von seiner Schokoladenseite zu
zeigen. Seine Lippen streiften mein Ohr, und er flüsterte: »Lieber Himmel,
Indianerbaby, ich weiß nicht, ob du meinem männlichen Charme erliegst oder
einfach einschläfst.«
Ich fuhr zornig in die Höhe.
»Ihnen fehlt es offensichtlich an
Feingefühl. Und hören Sie
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