Es ist niemals vorbei
den Eimer an Bens Buggy. Ben verfolgte alles mit fassungslosem Staunen. Er war noch zu klein, um selbst Gewinne oder Nieten zu verteilen, aber er war mit von der Partie. Und dank der Fotos meiner Mutter würde er eines Tages wissen, dass er als Tigger mit Kürbis und einem Eimer, gefüllt mit Süßigkeiten, herumgefahren wurde.
In der Court Street standen die Ladenbesitzer draußen und verteilten Süßigkeiten. Vor dem Book Court blieb meine Mutter stehen.
«Lass uns kurz reingehen. Dann kannst du Jasmine kennenlernen.»
«Das neue Mädchen, von dem du mir erzählt hast?»
«Ja, ich glaube, sie arbeitet heute Nachmittag.»
Wir betraten den Buchladen. Jasmine war da, und sie war sogar verkleidet, eine Frau um die dreißig, zierlich, ausgesprochen hübsch und hispanischen Ursprungs in einem Peter-Pan-Kostüm. Als sie meine Mutter sah, kam sie sofort auf uns zu.
«Pam!», rief sie überschwänglich. «Pamela, Pampelmuse.»
«Hübsch siehst du aus.» Meine Mutter musterte sie. «Solche grünen Stumpfhosen kann nicht jede tragen.»
«Nicht schlecht, oder?» Jasmine hob die Arme und drehte sich um die eigene Achse, sodass wir sie von allen Seiten bewundern konnten. «Anfangs wollte ich noch als Vampir gehen, aber da hätte mich ja niemand erkannt. Überhaupt passt Vampir besser zu meinem Blutsauger von Mann.» Sie verdrehte die Augen. «Exmann, glücklicherweise.»
«Hi.» Ich streckte ihr meine Hand entgegen, die sie fast zerquetschte. «Ich bin Karin, Pams Tochter.»
«Dachte ich mir schon.»
«Viel ist hier ja nicht los», stellte meine Mutter fest.
«Deshalb bin ich ja auch zum Süßigkeitenverteilen verdonnert worden.»
Jasmine trat hinter die Theke und holte eine große Schüssel mit Süßigkeiten hervor. Wir folgten ihr nach draußen. Sie stellte sich mitten auf den Bürgersteig und machte sich an die Arbeit.
«Alle mal herkommen! Wer möchte was zum Naschen? Hier ist was für jeden. Happy Halloween, Leute!»
«Ist sie immer so?», flüsterte ich meiner Mutter zu.
«O ja, Jasmine ist ein lustiger Vogel.»
Ich nickte, war mir aber nicht sicher, ob sie wirklich ein lustiger Vogel oder eher übergeschnappt war.
«Süßes oder Saures!» Ein Junge im Batman-Kostüm hob mit beiden Händen seine Plastiktüte hoch.
«Was hättest du denn lieber?», kicherte Jasmine.
Der Kleine dachte nach und sagte: «Gib mir was Süßes.»
Jasmine warf zwei Bonbons in seine Tüte, und der Junge zog weiter.
«Robin kannst du uns auch herschicken», rief Jasmine ihm nach.
Der Kleine drehte sich um, nickte und rannte zu seinen Freunden.
«Niedlich», meinte Jasmine. «Bin trotzdem froh, dass ich keine Kinder habe.»
«Seit wann sind Sie denn schon geschieden?», fragte ich.
«An der Scheidung arbeite ich noch, aber seit drei Monaten leben wir getrennt.»
«Ach, dann ist ja alles noch ganz frisch», antwortete ich und dachte, dass sie es sein musste, von der die Trennung ausgegangen war.
«Und ob das frisch ist», lachte Jasmine. «Der Scheißkerl hat mich wegen einer anderen sitzengelassen. He, du da, in dem Engelskostüm, komm, hier gibt’s was Süßes. Na los, bring deine Freunde mit.» Eine Kindergruppe näherte sich, erhielt eine Handvoll Zuckerzeug und lief weiter. «Deshalb bin ich ja auch hierhergezogen. Neuer Anfang und so.»
«Manchmal frage ich mich auch, ob mein Mann mich wegen einer anderen verlassen hat», platzte es aus mir heraus.
Jasmine starrte mich an. Für einen Moment schien es ihr die Sprache zu verschlagen. Ich wusste selbst nicht, was mich ritt, so etwas zu sagen. Und dann auch noch einer Frau gegenüber, die ich kaum kannte! Aber anscheinend hatte es mir auf der Seele gebrannt. Peinlich berührt wechselte ich das Thema.
«Woher kommen Sie denn?»
Ehe Jasmine antworten konnte, streifte ein Teenager im Darth-Vader-Kostüm an uns vorbei, und Ben brach vor Angst in Tränen aus.
«Hat mich gefreut, Sie kennenzulernen», verabschiedete ich mich eilig.
«Ganz meinerseits.»
Im Weitergehen hörte ich, wie Jasmine die nächste Kindergruppe herbeirief.
«Ich habe sie zu Thanksgiving eingeladen», verkündete meine Mutter wenig später. «Ich hoffe, das macht dir nichts aus.»
«Das habe ich ja gar nicht gehört? Hast du sie eben gerade gefragt?»
«Nein, heute Vormittag schon. Sie hat zugesagt.»
Kopfschüttelnd sah ich meine Mutter an. Eine Fremde bei unserem Familienessen? Allein die Vorstellung empfand ich als unangenehm.
«Sie ist hier ganz allein und kennt niemanden. Außerdem fand
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