Es ist niemals vorbei
brach ab. Offenbar wurde ihm gerade klar, dass ich sein Verschwinden nicht still hingenommen, sondern nach ihm gesucht und jemanden auf seine Spur gesetzt hatte.
Ich löste mich aus Macs Umarmung, ging zum Fenster und setzte mich auf die Fensterbank. Ich brauchte ein wenig Abstand zu diesem Mann, von dem ich nicht wusste, welche Rolle er hier spielte. «Und woher weißt du, dass diese Ana hinter dem Mord an deinen Eltern steckt?»
«Es gehört zu ihrem Job.»
Ich sah Mac unverwandt an und wartete auf eine genauere Erklärung. Das, was er da von sich gab, klang wie eine Schauergeschichte. War Ana etwa eine Spinnenfrau, die tödliche Netze webte? Doch dann musste ich an Ethan denken, der sich in Florida mit demselben Mann gestritten hatte, der mir in Mexiko eine Waffe vorgehalten hatte.
«Vor langer Zeit bin ich ihr zum ersten Mal begegnet», fuhr Mac fort. «Dann hat sie in der
New York Times
mein Foto und den Artikel über meine Beförderung gesehen und wieder Kontakt zu mir aufgenommen. Sie wollte, dass ich zu ihr nach Mexiko komme, und als ich mich weigerte …» Einem anderen wären an diesem Punkt vermutlich Tränen in die Augen getreten, aber Macs Miene verhärtete sich lediglich. Jemand, der ihn nicht so gut kannte wie ich, hätte es womöglich gar nicht bemerkt.
«Weil du dich geweigert hast, wurden deine Eltern ermordet?»
Mac nickte. «Damit fing es an. Dann kam Danny ins Gefängnis. Alles brach zusammen.»
«Warum hast du mir nicht gesagt, dass du verschwinden wolltest? Warum hast du einen Selbstmord vorgetäuscht?»
«An unserem Hochzeitstag bin ich früher als sonst nach Hause gekommen. Und da habe ich die Blumen vor der Tür entdeckt.»
«Die Dahlien.»
«Ja. Sie waren keineswegs von mir, falls du das gedacht haben solltest. Sie kamen von Ana. Es war eine Drohung. Ben und du wärt nach meinen Eltern an der Reihe gewesen. Deshalb wollte ich, dass du mich für tot hältst und nicht nach mir suchst. Es schien mir für dich sicherer zu sein. Früher war Ana nicht so gefährlich, aber inzwischen schreckt sie vor nichts mehr zurück. Ich –»
In diesem Moment drehte sich der Schlüssel im Schloss. Diego trat ein, gefolgt von Felix, der sein Gewehr geschultert hatte, und der Frau, die ich von dem Foto kannte.
Ana Maria Soliz war eine schlanke Schönheit. Vielleicht waren ihre Schultern ein wenig breit, aber das verlieh ihr einen Ausdruck von Kraft und Vitalität. Sie war barfuß, trug ein enganliegendes weißes Kleid, und das lange schwarze Haar hatte sie über eine Schulter nach vorn gelegt, genau wie auf dem Foto. Auch jetzt trug sie eine Goldkette im Lariatstil, mit herabhängender Schnur, an deren Ende ein mit Brillanten besetztes Kruzifix hing. Ich musste zugeben, dass Ana einfach atemberaubend war, eine Frau, die Männer um den Verstand brachte und anderen Frauen die Laune verdarb. Alles an ihr – die schwarzen Augen, die Art, wie sie sich bewegte und die anderen ansah – sprach von Macht.
Sie schwieg, aber es war klar, wer hier das Sagen hatte. Je länger sie mich anschaute oder vielmehr mit ihrem Blick durchbohrte, desto bewusster wurde ich mir ihrer Ausstrahlung, nein, ihres ganzen Wesens. Mit ihrem Äußeren konnte Ana in Männern die heißeste Begierde wecken, aber sie selbst bestand nur aus eiskalter Berechnung, das spürte man deutlich.
Dann sagte sie etwas auf Spanisch. Diego und Felix brachen in Gelächter aus. Macs Kinnlade versteifte sich.
«Sie sind keine schöne Frau», teilte Ana mir auf Englisch mit. Ihre Stimme klang sanft, und doch konnte ich den harten Unterton hören. «Wie kommt es nur, dass Dylan Sie liebt?»
«Was wollen Sie?», fragte ich gereizt.
«Aha. Eine graue Maus, die gleich zur Sache kommt.»
«Karin», sagte Mac warnend. «Bitte, sag nichts mehr.»
Anas Blick zuckte zu ihm hinüber. «Ich glaube nicht, dass sie etwas zu sagen hat, das für mich von Bedeutung sein könnte.»
Mac schaute Diego und Felix an. Dann kehrte sein Blick zu mir zurück. Aber er sagte nichts.
«Tu dir keinen Zwang an», forderte Ana ihn auf. «Sprich mit deiner Frau. Erzähl ihr, weshalb du tatsächlich hier bist. Falls mir das, was du sagst, gefällt», sie zuckte mit den Schultern, «dürft ihr entscheiden, wer von euch beiden zuerst sterben soll.»
Mac zögerte. Dann straffte er sich und zeigte mit der Pfauenfeder, die er immer noch in der Hand hielt, auf Ana. «Weißt du noch, wann wir uns zum ersten Mal begegnet sind?»
«Den Versuch kannst du dir sparen. So dumm bin
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