Es ist niemals vorbei
ihres Aussehens hatte sie sicher mehr als jeder andere verkauft. Mac und Ana vor fünfundzwanzig Jahren, zwei lebenshungrige Teenager voller sexuellem Verlangen.
«Willst du damit sagen, du hättest nur Pfauenfedern gekauft und deine Freunde die Drogen?»
«Nein. Wir haben Ana eingeladen, einen Joint mit uns zu rauchen. Da fing alles an.» Mac atmete tief durch, schloss die Augen und sprach weiter. «Ich kannte den Unterschied zwischen Liebe und Sex damals noch nicht. Ana war aufregend. Nein, alles war aufregend: Ana, Mexiko, zum ersten Mal ohne Eltern verreist zu sein – frei zu sein. Ich habe Ana gesagt, mein Name sei Dylan. Warum, weiß ich nicht mehr. Vielleicht fand ich es witzig. Abgesehen davon war Bob Dylan damals unser Held, und seine Songs hörten wir von morgens bis abends. Als Dylan habe ich die Feder und die Joints gekauft – und so kam eins zum anderen.»
Es klang eigentlich nach einer dieser üblichen Jugendgeschichten, bei der sich Trieb und Dummheit mischen. Daraus konnte man niemandem einen Vorwurf machen, schließlich haben wir alle aus der Zeit ein paar peinliche Erinnerungen, die wir am liebsten vergessen würden. Der achtzehnjährige Mac hatte Ferien gehabt und sich wie ein Idiot benommen. Damit hätte die Sache erledigt und abgehakt sein müssen. Warum Ana so rachsüchtig war, blieb mir ein Rätsel.
«Wie lange warst du in Mexiko?», erkundigte ich mich. «Die Ferien im Frühjahr dauern doch nicht länger als eine Woche.»
«Richtig. Nach der Woche sind meine Freunde abgereist. Ich nicht. Ich wollte hier bei Ana bleiben.»
Ich warf Mac einen Blick zu, hörte, dass Ana hinter mir mit dem Gewehr hantierte, und schaute wieder aufs Meer hinaus. In der Ferne zog ein Schiff vorbei. Die See war kabbelig geworden, und die Wellen trugen weiße Schaumkronen.
«Meine Eltern wollten, dass ich studiere, statt in ihrem Eisenwarenladen zu arbeiten. Sie wollten, dass ihr Junge aufs College geht, das hat ihnen damals sehr viel bedeutet. Wahrscheinlich habe ich mich deshalb dagegen gesträubt, aber zu der Zeit war mir das noch nicht bewusst. Bis zum Schulabschluss hatte ich noch sieben Wochen, aber auch das war mir einerlei. Ich beschloss, alles hinzuschmeißen und hierzubleiben, denn hier fühlte ich mich
lebendig
.»
Mac stieß den Atem aus, oder vielleicht schnaubte er auch verächtlich, weil er sich die Dummheit von damals noch immer nicht verziehen hatte.
«Die erste Zeit war einfach phantastisch.» Meinte er das im Ernst, oder sagte er es nur, um Ana versöhnlich zu stimmen? «Wie ein Traum. Wir haben zusammen in dem Zimmer gewohnt, das Ana gemietet hatte. Es gab nur ein Bett, einen Schrank und eine Kochplatte, aber gerade das fand ich damals so romantisch. Inzwischen weiß ich es natürlich besser. Armut ist nicht romantisch. Ana war sechzehn und lebte allein. Was sie tat, brauchte sie, um zu überleben, denn früher gab es hier kaum Arbeit, und der Tourismus spielte sich vor allem um Cancún herum ab.»
Ana schwieg. Ich hätte gern gewusst, was sie bei Macs Worten empfand und ob sie seine Geschichte zum ersten Mal hörte. Worüber hatten sie sich in den vergangenen fünf Monaten unterhalten? Waren sie wieder ein Liebespaar geworden? War Mac ihr Gefangener gewesen? Oder Liebhaber und Gefangener in einem? Ich erinnerte mich an das Foto, das Lucky Herman aufgenommen hatte, und spürte einen Stich in der Brust.
«Jedenfalls sind wir gemeinsam über die Strände gezogen und haben Drogen vertickt. Wir haben alle Währungen angenommen, aber die besten Kunden waren die Amerikaner. Den Großteil der Einnahmen haben wir in Anas Zimmer versteckt.
Ana – es tut mir leid.
»
«Das kommt ein bisschen zu spät, finde ich. Los, sprich weiter, erzähl deiner Frau, was für ein Mensch du in Wahrheit bist.»
«Nach etwa drei Wochen wurde mir klar, dass ich einen Riesenfehler begangen hatte. Ich dachte daran, was für Sorgen sich meine Eltern machen mussten, bei denen ich mich nicht gemeldet hatte und die keine Ahnung hatten, wo ich war. Ich lebte hier unter falschem Namen und hatte erfahren, dass die Polizei mich suchte. Einmal kamen sie zu Ana, aber sie erklärte, sie hätte mich seit zwei Wochen nicht mehr gesehen, und drückte ihnen ein paar Scheine in die Hand. Das reichte damals aus, um sie loszuwerden. Trotzdem wurde mir mulmig. Plötzlich wollte ich wieder einen Schulabschluss haben, ich wollte aufs College gehen und meine Eltern stolz auf mich machen. Eines Tages, als Ana nicht da war, schnappte
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