Es ist niemals vorbei
ich mir Pass, mein Flugticket und Anas amerikanisches Geld und fuhr zum Flughafen.»
«Du hast ihr
ganzes
Geld gestohlen?»
«Nein, nur die amerikanischen Dollar.»
«Also das meiste, du hast es eben selbst gesagt.»
Mac nickte beschämt. «Sie hatte ungefähr zweitausend Dollar gespart. Und die habe ich ihr genommen.»
«Aber warum?»
«Weil ich nur ein billiges Ticket hatte und nicht wusste, ob es noch für den Rückflug galt. Und weil ich nicht wusste, wie viel mich ein Flug in die Staaten kosten würde. Und weil ich ein dummer Junge war.»
Das musste ich erst einmal verdauen. Sich an einem tropischen Strand in ein schönes Mädchen zu verlieben, war eine Sache. Etwas ganz anderes war es, sie fast ihrer gesamten Ersparnisse zu berauben, ganz gleich auf welche Weise sie an das Geld geraten war. Es gehörte
ihr
. An ihrer Stelle wäre ich auch außer mir gewesen.
«Ich habe ihr eine Nachricht hinterlassen. Ihr alles erklärt. Und versprochen, ihr das Geld zurückzuzahlen.»
«Und? Hast du es getan?»
«Nein. Ich wusste nicht, wie ich das machen sollte, ohne ihr meinen richtigen Namen und meine Adresse zu verraten. Ana war damals schon einflussreich, und ich hatte angefangen, mich vor ihr und ihren Kreisen zu fürchten. Ich wollte nicht, dass sie mich fand.»
In meinem Rücken ertönte das nächste Klicken.
«Sprich weiter», sagte Ana.
«Es gibt nichts mehr zu erzählen. Das war alles.»
«O nein, das war es nicht.»
«Ana», seufzte Mac. «Wie oft muss ich noch zugeben, dass ich dein Geld gestohlen habe. Wie oft muss ich dir noch anbieten, dir alles oder auch mehr zurückzuzahlen?»
«Du bist noch immer derselbe Trottel wie damals. Meinst du nicht, dass es ein bisschen zu spät ist, um deine Schuld nur mit Geld zu begleichen?»
Mich überlief ein Schauder.
«Dann sag mir, was du willst, Ana.
Bitte.
Das frage ich dich jetzt seit Monaten. Ich will es endlich wissen.»
«Ja, siehst du, und ich frage mich seit Monaten, was ich von dir will. Von Dylan oder Mac. Du bist nicht mehr der Junge, den ich einmal geliebt habe, und ich bin nicht mehr das Mädchen, das du zu lieben geglaubt hast. Deshalb ist die Antwort gar nicht so einfach, das verstehst du doch, oder?»
«Natürlich.»
«Im Lauf der Zeit verfälschen sich die Erinnerungen. Man wird älter, und die Werte, die man hatte, werden durch andere ersetzt.»
Mac nickte.
«Und doch erinnern wir uns im Rückblick ganz deutlich an das, was wir einmal geglaubt haben. Das beweist ja schon die Geschichte, die du deiner Frau erzählt hast, oder? Du schaust zurück und weißt, warum du dieses oder jenes getan hast. Ganz gleich, ob etwas richtig oder falsch war, erinnern wir uns doch noch genau an die Gründe für unser Verhalten.»
Hinter uns hatte Ana begonnen, auf und ab zu gehen. Sie war erregt, ihr Atem ging schnell. Ich nahm an, dass sie die Erinnerung an ihre schöne Zeit mit Mac nicht ganz kaltgelassen hatte.
«Erinnerst du dich auch noch an die Immobilienpreise damals in Playa del Carmen?»
«Ja. Sie waren unvorstellbar niedrig.»
«Für dreitausend amerikanische Dollar bekam man schon ein kleines Hotel. Und wenn man so etwas hatte, musste man keine Drogen mehr verkaufen. Zu der Zeit war so ein kleines Hotel alles, was ich wollte. Und ich stand so kurz davor – ehe du mein Geld mitgehen ließest.»
«Ich gebe ja auch zu, dass es falsch von mir war.»
«Falsch nennst du das? Ich glaube, es war um einiges schlimmer.»
«Ana, bitte. Habe ich dich je gezwungen, Drogen zu verkaufen? Du hast mir selbst gesagt, dass du die zweitausend Dollar in nicht einmal einem Jahr verdient hattest. Du hast mehr als jeder andere Dealer eingenommen, und die Marktlage wurde immer besser. Ich will ja nichts beschönigen, aber –»
«Mac!
Niemand kauft Drogen von einem schwangeren Mädchen.
»
Es war, als wäre eine Bombe eingeschlagen. Felix und Diego begannen aufgeregt zu flüstern. «Silencio!», fuhr Ana sie an.
Ich konnte jetzt nicht mehr aus dem Fenster schauen und drehte mich um. Auch Mac wandte sich um und wirkte entsetzt. Demnach hatte er von der Schwangerschaft nichts gewusst.
«Du warst schwanger?», fragte er.
Bitte
, betete ich im Stillen,
frag sie jetzt nicht, ob sie sicher ist, dass das Kind von dir war
. Das war genau die Frage, die jede Frau in Mordlust versetzten konnte, und wie Ana darauf reagieren würde, wollte ich mir gar nicht ausmalen. Sie war sechzehn gewesen. Hatte einen Gringo zum Freund gehabt, einen herzlosen Dieb, der sie
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