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Es ist niemals vorbei

Es ist niemals vorbei

Titel: Es ist niemals vorbei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Pepper
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hoffte, das würde gleichermaßen zählen. Hieß es nicht immer, dass Gut und Böse nur zu einem Teil erlernt wurden, zum anderen Teil aber bereits in unseren Genen verankert lagen?
    Wer war Mac? Wusste ich das überhaupt noch? Und was hätte sein Sohn von ihm erben können? Den Drang, gegen das Gesetz zu verstoßen, Drogen zu nehmen und zu stehlen? Oder den Wunsch, das Gesetz aufrechtzuerhalten und anderen beizustehen? Ich kannte nur den zweiten Mac, den
guten
, Ana dagegen hatte nur den ersten erlebt, und der war alles andere als wohltätig gewesen. Und was hatte all das aus Diego gemacht? Welche Eigenschaften hatten sich bei ihm durchgesetzt? Als er an den Schreibtisch trat, weißes Pulver aus einem Reagenzglas auf einen Löffel schüttete, das Feuerzeug anknipste und das Pulver erhitzte, war er der Sohn seiner Mutter. Konzentriert wartete er darauf, dass das Pulver schmolz, und zog dann die flüssige Droge auf. Wie ein gewiefter Junkie schnippte er die Luftblasen aus der Spritze und drehte sich lächelnd um. Meine Entscheidung war gefallen: Diego Soliz war keinen Deut besser als seine Mutter, eher noch schlimmer.
    «Wen nimmst du zuerst?», fragte Ana.
    Diego sah mich an, dann Mac. Auf ihm ruhte sein Blick ein wenig länger. Womöglich dachte er,
das ist mein Vater
, und fragte sich, welche Bedeutung dieser Umstand für ihn nach all den Jahren hatte.
Das ist mein Vater, und ich werde ihm das Leben nehmen?
    Diego steckte sich die Spritze zwischen die Zähne, nahm den Venenschlauch und trat zu Ana.
    «Was ist?», fragte sie.
    «Die erste Dosis ist für dich. Sie soll dir den Mut geben, mir anschließend zuzuschauen.»
    Ana schürzte die Lippen und schien nachzudenken. Abgeneigt wirkte sie nicht. Daraus schloss ich, dass sie dann und wann von ihrer Ware kostete, wie jede gute Geschäftsfrau, die wissen wollte, was sie ihren Kunden verkaufte.
    «Eigentlich macht es mir nichts aus, die beiden wegdriften zu sehen. Hast du etwa Bedenken?»
    «Nein, ich möchte nur nicht, dass sie auf Wolken schweben.» Diego machte eine Wellenbewegung mit der Hand und lächelte so verträumt, als dächte er tatsächlich, Mac und ich könnten unsere letzten Augenblicke im Heroinrausch genießen.
    «Ja aber, wie willst du es denn dann machen?»
    «Ich möchte, dass mein Vater leidet, so wie wir durch ihn gelitten haben.»
    Ana nickte wohlwollend. «Gut, aber leg die Spritze hin. Ich brauche das nicht, ganz gleich, wofür du dich entscheidest. Räche dich, wie du willst.»
    Diego legte die Spritze zurück. Ich sah, dass Felix sehnsüchtig auf das Tablett starrte. «Ich nehme den Van», sagte Diego. «Und dann mache ich mit den beiden eine kleine Spazierfahrt.» Um sich mit einem Kuss zu verabschieden, beugte er sich zu seiner Mutter hinab – und nahm ihr das Gewehr von der Schulter.
     
    Eine Stunde oder auch länger fuhren wir mit dem Van durch die Gegend. Mac und ich saßen hinten in der fensterlosen Hälfte, Rücken an Rücken aneinandergefesselt. Auf der Ladefläche lagen Gartengeräte, ein zusammengerollter Schlauch, Rechen, Spaten und ein Eimer, die unentwegt klapperten. Diego saß am Steuer, an seiner Seite Felix mit dem Gewehr in den Händen. Mac und ich waren geknebelt worden, aber wenigstens hatten sie uns die Augen nicht verbunden. Sehr viel sehen konnten wir trotzdem nicht.
    Macs Rücken drückte sich an mich und fühlte sich warm und vertraut an. Ich konzentrierte mich darauf, gleichmäßig und tief ein- und auszuatmen, in der Hoffnung, dass der Rhythmus Mac beruhigen und ihm signalisieren würde, dass ich ihm vergeben hatte. Dass er uns verlassen hatte, konnte ich inzwischen nachvollziehen, denn seit ich Ana kennengelernt hatte, wusste ich, dass er es getan hatte, um Bens und mein Leben zu schützen. Aber warum war er nicht zur Polizei gegangen? Die Polizei zu verständigen wäre naheliegend gewesen. So reagierte man gewöhnlich, wenn man von Verbrechern bedroht wurde, die zudem einen tiefen persönlichen Hass gegen einen hegten. Andererseits: Je länger ich mir alles durch den Kopf gehen ließ, desto dankbarer war ich dafür, dass Mac versucht hatte, die Angelegenheit allein zu regeln. Er war fortgegangen, um einen Racheengel zu besänftigen, der auf uns gelauert hatte. Zwanzig Jahre lang war Mac bei der Polizei gewesen. Ihm war klar, wie schwierig es war, jemanden vor einem Verfolger zu schützen, erst recht, wenn dieser so übermächtig und allgegenwärtig wie Ana war. Irgendwann wäre er sicher zu uns zurückgekehrt.

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