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Es ist niemals vorbei

Es ist niemals vorbei

Titel: Es ist niemals vorbei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Pepper
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glaubte sogar zu sehen, dass sich Macs Rücken senkte und hob.
    Diego hockte sich zu Mac und knotete die Fesseln an dessen Handgelenken auf.
    Und da nahm ich plötzlich den scharfen metallischen Geruch frischen Blutes wahr, drehte mich suchend um und entdeckte Felix. Er lag auf dem Rücken in einer Blutlache, die sich rings um seinen Kopf ausbreitete. Erst auf den zweiten Blick erkannte ich, dass seine halbe Schädeldecke weggeschossen worden war.
    Diego hatte Mac von den Fesseln befreit. Mac setzte sich auf und wackelte mit den Fingern. Über seine Stirn zog sich ein breiter Schmutzstreifen.
    In meinem Kopf ging es drunter und drüber.
    Mac lebte?
    Oder bildete ich mir das nur ein?
    Nein, er lebte wirklich.
    «Steh auf», sagte Diego. «Mach schon!»
    Mac stützte sich mit den Händen ab und wuchtete sich schwerfällig hoch. Dann holte er tief Luft und sah Diego an.
    «Ich dachte mir schon, dass du es dir anders überlegen würdest», sagte er mit der liebevollen Nachsicht eines Vaters, der seinem Kind eine Frechheit verzeiht.
    Diego murmelte beinahe kleinlaut: «Ich hatte doch nie einen Vater.» Aus dem wild entschlossenen Rachegott war ein verwirrter junger Mann geworden, der sich nach etwas sehnte, das er nie gekannt hatte.
    «So wie ich dich nicht hatte», antwortete Mac. «Erst jetzt kann ich versuchen, dir ein Vater zu sein.»
    «Mein ganzes Leben lang habe ich von dir geträumt», fuhr Diego fort. «Aber du hattest nie ein Gesicht. Jetzt weiß ich wenigstens, wie ich mir dich vorstellen muss.»
    Mac lächelte und streckte zögernd eine Hand aus. Aber Diego blieb, wo er war. Er war noch nicht bereit, Vertrauen zu fassen. Plötzlich griff er in die Tasche seiner Jeans, zog etwas hervor, trat auf Mac zu und drückte es ihm in die Hand. Als Mac die Hand öffnete, lag dort Aileens Verlobungsring. Wie gelähmt starrten Mac und ich auf das Stück blutverkrustetes Gold.
    Macs Hand begann zu zittern, dann schloss er die Faust um den Ring. Ich sah, wie die Farbe aus seinem Gesicht wich und Tränen in seinen Augen glänzten.
    «Geh!»
Diego warf einen Blick auf Felix’ Leiche, um die bereits ein Fliegenschwarm summte. «Ich werde ihn begraben und meiner Mutter sagen, dass ich dich getötet habe.»
    «Das musst du nicht tun», erwiderte Mac. «Du kannst mit uns kommen.»
    Diego schüttelte den Kopf. «Wenn ich nicht zu ihr zurückkehre, wird es nur noch schlimmer.»
    Das war sicher wahr. Mac und ich hatten ja erfahren, dass Anas Rachsucht keine Grenzen kannte. Diego musste sich ihr Vertrauen bewahren, sonst wäre er in ebenso großer Gefahr wie wir. «Nie wird der Himmel zürnen wie Liebe, die zu Hass geworden, nie die Hölle wüten wie eine verschmähte Frau.» Das hatte William Congreve in seinem Gedicht
Die trauernde Braut
geschrieben. Ich hatte es vor einem Jahr von einem lyrisch interessierten Professor in meinem Kurs
Die Psychologie des Wahnsinns
gehört. Ana war ein gutes Beispiel dafür, denn sie hatte nie aufgehört, um ihre erste Liebe zu trauern. Der Verlust ihres Sohnes würde ihr den letzten Rest Verstand rauben.
    «Lauf», sagte Diego. «Wenn ich dich brauche, werde ich dich finden.»
    Er machte kehrt, trat an den geöffneten Van, sprang auf die Ladefläche und begann zu kramen. Wahrscheinlich suchte er den Spaten. Ich nahm an, dass Diego Felix als unberechenbaren Süchtigen darstellen würde, einen entbehrlichen Helfer, der im Drogensumpf abhandengekommen war.
    Ich griff nach Macs Hand und zog ihn mit mir. «Komm, lass uns verschwinden.»
    Mac schaute zu Diego hinüber und wirkte unschlüssig. Er wollte ihn nicht zurücklassen, aber dieser neue Sohn, so wohlgesinnt er seinem Vater im Moment war, konnte ohne weiteres wieder extrem brutal werden. Diego war zwei Risiken eingegangen: Er hatte Mac den Ring gegeben und wollte uns laufenlassen. Wenn man es genau bedachte, waren es sogar Wahnsinnsrisiken, aber mir fehlte die Zeit, seine Motive von allen Seiten zu beleuchten. Ich wollte endlich weg.
    Ungeduldig zerrte ich an Macs Hand. «Komm», flüsterte ich. «Sonst ändert er seine Meinung womöglich wieder.»
    Mac seufzte. Er wusste, dass ich recht hatte, und setzte sich in Bewegung.
    Inzwischen war es noch dunkler geworden, und im Unterholz links und rechts hörten wir die ersten Nachttiere rascheln. Ich war noch immer nicht ganz sicher auf den Beinen und spürte eine nie gekannte Müdigkeit. Um mich anzufeuern, stellte ich mir Licht, Kraft und Geschwindigkeit vor, versuchte, all das auf meinen Körper zu

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