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Es ist niemals vorbei

Es ist niemals vorbei

Titel: Es ist niemals vorbei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Pepper
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irgendwo anzukommen. Meine Mutter schien mein inneres Chaos instinktiv zu erfassen, denn wir beide vermieden das Thema Mac. Wir waren hier, zusammen, in dieser Lage, und würden das Beste daraus machen.
    An unserem zweiten Tag ohne Mac trafen wir auf unserem Morgenspaziergang Doug, den Gärtner. Er war mit einem kleinen Lastwagen unterwegs, der langsam über eine der Straßen tuckerte und Salzkristalle ausspuckte. Als er uns sah, hielt er an, stieg aus und strahlte. Wie bei unserer ersten Begegnung trug er verdreckte Jeans, die schwarze Daunenjacke und die Stiefel mit den offenen Schnürsenkeln. Ich fragte mich, wie er es in der Kälte ohne Mütze aushielt. Seine Ohren waren schon feuerrot.
    «Hallo, die Damen!»
    Hatte er unsere Namen vielleicht vergessen? Oder wusste er, dass wir weder Joan, Cornelia noch Timmy waren?
    «Doug», sagte meine Mutter. «Warum streuen Sie Salz? Sie halten die Straßen und Wege doch so wunderbar trocken. Inzwischen sind wir fast jeden Zentimeter hier abgelaufen und noch nie auf eine vereiste Stelle gestoßen.»
    «Das ist kein Salz, sondern CMA  – Kalziummagnesiumazetat. Verhindert die Eisbildung von Anfang an. Das Wetter hier, die Kälte und die Feuchtigkeit, die sind tückisch. Manchmal erkennt man die Glätte erst, wenn man schon auf der Nase liegt. Wie läuft es denn sonst so bei Ihnen?»
    Meine Mutter und ich lächelten und zuckten mit den Schultern. Was konnten wir auch sagen?
    «Ach, wir verbringen hier einfach eine friedliche kleine Woche», sagte meine Mutter, ganz so, als würden wir Sonntag wieder packen und abreisen.
    «Tja dann.» Doug stieß eine weiße Atemwolke aus und klatschte sie wie eine Fliege mit bloßen Händen zusammen. «Dann ist es vielleicht Zeit, dass wir uns mal das Karussell anschauen. Das habe ich dem jungen Mann hier ja versprochen.» Er zwinkerte Ben zu, der nicht recht begriff, warum ihn plötzlich alle anschauten, und sicherheitshalber lächelte.
    «Ich glaube, das würde ihm gefallen», sagte ich.
    Wir klappten den Buggy zusammen, verstauten ihn auf der Ladefläche des Lasters und zwängten uns mit Doug auf den Vordersitz. Ich hielt Ben fest auf meinem Schoß. Wir holperten über die Straße und dann querfeldein über das gefrorene Gelände, vorbei an dem kleinen Aussichtsturm und weiter zu dem großen Schuppen. Dort stiegen wir aus und folgten Doug zu einem Doppeltor, das lose mit einer Eisenkette verschlossen war. Doug zog ein dickes Schlüsselbund aus der Jeanstasche, suchte einen Schlüssel hervor und entriegelte das Schloss. Die Kette glitt ratternd aus der Halterung und fiel klirrend zu Boden. Doug warf das Schloss dazu und zog die Tore eins nach dem anderen auf.
    Wir spähten in die Dunkelheit. Dann sickerte das blasse Winterlicht herein und enthüllte langsam das Karussell. Wie von Zauberhand erstanden Pferde und Schlitten, allesamt frisch gestrichen in den Farben des neunzehnten Jahrhunderts – sattes cremiges Weiß, Himmelblau, Zitronengelb, Olivgrün und ein Braun so dunkel, dass es beinah schwarz wirkte.
    «Ist das schön», hauchte ich.
    «So allerliebst», sagte meine Mutter.
    Ben rannte wackelnd darauf zu.
    «Nicht so eilig!» Doug lief Ben hinterher, meine Mutter und ich folgten ihnen. Ich schnappte den Kleinen und setzte ihn mir auf die Hüfte. «Halten Sie ihn fest», riet Doug. «Hier drinnen gibt es kein Licht, denn eigentlich ist es nur ein Bretterverschlag, den wir im Frühjahr abbauen.» Er stieg auf das runde Podest, tauchte unter einem aufsteigenden Pferd hindurch und blieb im Innenkreis des Karussells stehen. «Bitte sehr, ein Stück zurücktreten – und los geht’s.»
    Doug legte einen Schalter um. Dünne, blecherne Musik ertönte, und das Karussell setzte sich in Bewegung. Die Pferde stiegen auf und ab. Wie gebannt sahen wir den kreisenden Pferden und Schlitten zu, die sich im Dämmerlicht drehten. Ben fing ungeduldig an zu zappeln.
    «Warte», sagte ich.
    «Will»
, rief er.
    «Darf er eine Runde mitfahren?», fragte ich Doug.
    Knarrend und quietschend hielt das Karussell an. Durch den leisen Nachhall hörte ich Dougs Stimme: «Aber wie könnte ich da nein sagen? Suchen Sie sich ein Pferd aus.»
    Ich wählte einen weißen Hengst mit blauer Mähne und glänzenden schwarzen Augen, hob Ben auf meinen Schoß und umfasste ihn mit beiden Armen. Meine Mutter schwang sich auf ein rosa Pferd mit grünen Hufen und weißem Sattel.
    «Fertig?»
    «Fertig!»
    Und schon ging es los.
    Wir waren dermaßen ausgehungert nach einer

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