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Es ist niemals vorbei

Es ist niemals vorbei

Titel: Es ist niemals vorbei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Pepper
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auf dem Boden. Ich hockte mich zu ihm. In seinen Augen stand die nackte Panik.
    «Was ist passiert?», fragte ich.
    Sein Blick trübte sich und schien zu erstarren. Plötzlich weiteten sich seine Pupillen und füllten die Iris ganz aus. Ich kannte das von zu vielen Tatorten, von all den vielen Toten. Wie oft hatte ich in solche reglosen Augen geschaut. Aber noch nie hatte ich mit angesehen, wie das Leben aus einem Körper wich. Eiseskälte kroch über meine Wirbelsäule und sickerte in mein Herz.
    «Mike»
, flüsterte ich.
    Gleich darauf sah ich das Blut. Es quoll aus einer Wunde hinter seinem Ohr.
    Ich drehte mich um, schloss die Augen und bekämpfte meinen Brechreiz. Dann schluckte ich, öffnete die Augen, stand auf und griff nach dem Handy in meiner Jackentasche. Kein Handy. Ich musste es ihm Haus vergessen haben. Mir fiel das Telefon in der Wachstation ein. Von dort aus konnte ich den Notdienst anrufen.
    Ich dachte an den UPS -Wagen, der über den Wirtschaftsweg davongezockelt war.
    Plötzlich hörte ich die Musik des Karussells wieder.
    Vor meinem geistigen Auge entstand eine Karte. Der Wirtschaftsweg führte als Abkürzung zu dem Teil des Geländes, auf dem sich der Großteil der Freizeiteinrichtungen befand – das Restaurant, das Café, die Schwimmbecken und der Aussichtsturm.
    Und das Karussell.
    Mir war, als würde die Musik die kalte, stille Luft durchschneiden. Plötzlich gab es für mich keinen Zweifel:
    Derjenige, der den Karton gebracht hatte, hatte auch Mike ermordet.
    Und fuhr jetzt durch Shore Haven.
    Zu dem er sich mit einer bestimmten Absicht Zugang verschafft hatte.
    Weil er einen Zweck verfolgte,
    ein Ziel,
    eine Zielperson.
    Ich musste den Notruf wählen.
    Und den Karton öffnen.
    Aber vor allem musste ich zu dem Karussell gelangen.

Achtzehn
    Ich lief quer durch den Wald, schlug blindlings Äste zur Seite und hastete den blechernen Klängen entgegen. Doch je schneller ich rannte, desto lauter begann mein Herz zu trommeln. Zuletzt übertönte sein Schlagen die Musik. Ich hörte nur noch sein Hämmern und meine rauen Atemstöße. Ich schien kaum von der Stelle zu kommen, sondern wie in einem Albtraum eher zurück- als voranzulaufen.
    Wieder stieß ich einen Ast zur Seite, doch er schnellte zurück und schlug mir ins Gesicht. Der Schmerz breitete sich von meiner Nase aus und durchflutete mein Gehirn, während ich rücklings zu Boden fiel. Hinter meinen Schläfen begann es zu hämmern, und aus meinem Mund rann salziges Blut. Ich rappelte mich auf, tauchte unter dem Ast hindurch und hetzte weiter.
    Ich rannte.
    Und rannte.
    Bis ich schließlich den Wirtschaftsweg erreichte.
    Mit zwei Schritten hatte ich ihn überquert und stürmte über die harte Erde eines Hangs hoch. Oben blieb ich stehen. In meiner Nase pochte ein nahezu unerträglicher Schmerz. Ich wischte mir das Blut aus dem Gesicht.
    In der Ferne sah ich den UPS -Wagen. Er stand neben dem Aussichtsturm.
    Die Tore des Karussellschuppens standen sperrangelweit offen. Noch immer erklang die Musik.
    Ich fing wieder an zu laufen und nutzte den Schwung hangabwärts über die nächste flache Strecke. Bens leerer Buggy stand im Schatten der dunklen Toröffnung.
    Die Hecktür des UPS -Wagens stand einen Spaltbreit offen.
    Der leuchtend grüne Schal meiner Mutter hing heraus.
    Einer von Dougs verschlammten Arbeitsstiefeln lag umgekippt zwischen Schuppen und UPS -Wagen.
    Offenbar hatte jemand die Tür nicht richtig geschlossen, und sie war wieder aufgesprungen. Ich drückte sie ganz auf. Zwischen umgestürzten Kartons saßen Doug und meine Mutter, geknebelt und mit den Rücken aneinandergefesselt. Der Anblick war mir so vertraut, dass mir übel wurde. Auf die Art hatten Diego und Felix mich und Mac hinten in ihrem Van untergebracht, als sie uns zu dem Ort fuhren, der um ein Haar unsere Hinrichtungsstätte geworden wäre.
    Ich sprang auf die Ladefläche und riss meiner Mutter den Klebestreifen vom Mund.
    «Hat er dir sonst noch etwas getan?»
    «Er hat Ben – drinnen auf dem Karussell!» Die Stimme meiner Mutter zitterte vor Erregung.
    Ich entknotete den Strick um ihre Handgelenke. Dann stürzte ich hinaus, in den Schuppen, in die Dunkelheit darin.
    Blinzelnd und keuchend stand ich da, wollte so verzweifelt etwas sehen und musste doch warten, bis meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten.
    Das Karussell drehte sich. Die Musik spielte noch immer.
    Und dann kam Ben. Er drehte sich aus dem Schatten dem dünnen Streifen Tageslicht

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