Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Es ist niemals vorbei

Es ist niemals vorbei

Titel: Es ist niemals vorbei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Pepper
Vom Netzwerk:
entgegen.
    «Mommy!»
    «Ben!»
    «Mommy, Mommy, Mommy.»
Es klang jämmerlich und klagend. Auf seinem kleinen Gesicht sah ich den Ausdruck des Entsetzens. Kurz glaubte ich, mein blutverschmiertes Gesicht hätte ihn erschreckt.
    Doch dann trat ich auf ihn zu. Er saß auf dem größten Pferd, einem orangeroten Hengst mit blauen Augen. Ich streckte meine Arme aus – und erst da erkannte ich den Mann, der Ben auf seinem Schoß hielt.
    Seine Augen waren fast so blau wie die des Pferdes.
    Sein Teint ein blasses Rostbraun.
    Für einen Moment schien alles zu verschmelzen und zu einem Wesen zu werden – Ben, das auf und ab steigende Pferd und Diego.
    «Gib mir meinen Sohn. Weiter will ich nichts.
Gib mir einfach nur meinen Jungen.
»
    Das Karussell drehte sich weiter auf mich zu. Weinend streckte Ben die Arme nach mir aus. Diegos Mund verzog sich zu einem Grinsen. Er hatte eine Hand auf Bens Bauch gedrückt. In der anderen hielt er eine Waffe.
    «Warum bist du hier? Was willst du?»
    «Ich dachte, es wäre mal an der Zeit, dass ich meinen Bruder kennenlerne.»
    Und schon schwebten sie an mir vorbei. Ben verschwand hinter Diegos Rücken. Die Uniform, die er gestohlen hatte, war ihm sichtlich zu klein, sie spannte an seinen Schultern. Das Pferd wirkte unter seiner großen Gestalt zerbrechlich, als könne es jeden Augenblick in sich zusammenfallen.
    Ich lief neben ihm her.
    «Bitte.
Bitte.
Gib mir Ben. Du musst ihn mir nur reichen, und schon bin ich fort.»
    Diego wandte sich zu mir um, tat, als wolle er dem Pferd die Sporen geben, und geriet aus dem Gleichgewicht.
    «Ben!»
    «Mommy!»
    «Er ist doch noch ein Kind.
Bitte.
»
    Diego fing sich wieder und umklammerte Ben noch fester. Mein Baby weinte noch lauter.
    «Ich hatte nie einen Vater und Geschwister. Jetzt habe ich auch keine Mutter mehr. Ich bin allein. Aber das mag ich nicht.»
    «Du bist nicht allein.»
    «Ich möchte mein Leben mit jemandem teilen.»
    «Bitte, gib ihn mir.»
    «Ich werde es mit meinem Bruder teilen – er wird mein kleiner Schützling werden.»
    Mein Fuß blieb in den Kabeln auf dem Boden hängen, die vom Karussell zur Wand des Schuppens führten. Ich schlug der Länge nach hin und spürte wieder brennenden Schmerz in meiner Nase. Das Karussell drehte sich unentwegt weiter, begleitet von den blechernen Tönen. Ich raffte mich auf, hastete den Holztieren nach und konnte kaum erkennen, welches von ihnen das orangerote Pferd war, auf dem ein Mann und mein Junge saßen.
    «Ben?»
    «Mommy.»
    Ben fuhr herum und brachte Diego aus dem Gleichgewicht. Die Einheit von Mann und Kind neigte sich zur Seite und begann zu rutschen – Diegos Hand schoss vor und griff haltsuchend nach der Stange, die sein Pferd mit dem Karusselldach verband.
    Die Waffe flog aus seiner Hand, schlug auf dem sich drehenden Podest auf und fiel auf den festgetretenen Erdboden.
    Mann und Kind richteten sich auf dem Pferd wieder auf, ein herzloser Zentaur, der immer weiter ritt.
    Auf allen vieren krabbelte ich durch das Gewirr der Schatten, tastete nach der Waffe und hoffte so sehr, sie zu fühlen. Da war sie!
    Meine Hand umschloss den Griff. Zittrig stand ich auf und rief: «Schluss jetzt! Du gibst mir Ben sofort zurück!»
    «Du glaubst wohl, du kannst alles haben. Den Vater und den Sohn. Du bist eine gierige Frau, aber du wirst gar nichts bekommen.»
    Ich hörte die Hysterie in seiner Stimme. Es war, als sei ihm ohne die Waffe alle Macht abhandengekommen. Dann erst erfasste ich den Sinn seiner Worte. Schon hatten die beiden eine weitere Runde vollendet, und es war, als träten sie ins Rampenlicht, Diego, der in den Steigbügeln stand und Ben mit beiden Händen hochhielt, als wolle er ihn werfen.
    «Nein!
Tu das nicht!
»
    Ich richtete die Waffe auf Diegos Brust, machte einen Schritt vor und wartete –
wartete
 – darauf, dass er so nah kam, dass ich ihn erschießen und gleichzeitig Ben auffangen konnte.
    Ich wusste, dass mein Schuss den Tod von Macs erstem Sohn bedeuten würde.
    Und dass diese Tat, falls Mac noch lebte, unsere Ehe beenden konnte.
    Ich kannte das Risiko und den Preis, den ich für das Leben meines Kindes zahlen würde.
    Aber ich hatte keine andere Wahl.
    «Mommy.»
    Langsam, mit tastenden Schritten, näherte ich mich ihnen und zielte mit der Waffe auf Diegos Herz. Die Distanz verringerte sich immer mehr.
    «Ich gebe dir noch eine Chance.» Meine Stimme bebte, aber mein Arm und meine Hände blieben ruhig.
    «Alles –
alles
 – willst du haben.»
    Gleich war

Weitere Kostenlose Bücher