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Es klopft

Es klopft

Titel: Es klopft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Hohler
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mitmachten, aber kein Zweifel, die Begeisterung über Aufführung und Inszenierung war groß. Natürlich waren Angehörige, Freundinnen und Freunde zahlreich an diesem Abend, doch das war mehr als nur ein Gefälligkeitsapplaus, der hier minutenlang weiterging.
    »Was findest du?« fragte sie Manuel leise.
    »Professionell«, sagte er, »absolut professionell. Und du?«
    »Grandios.«
    Die Premièrenfeier im Foyer, wo man Wein, Bier und Orangensaft ausschenkte und wo von Mirjams Klasse Schinkengipfel, Canapés, Parmesanstücke und Fleischspießchen
offeriert wurden, war turbulent, und es war eine Stimmung wie nach einem gewonnenen Fußballspiel. Die Freude der Lehrer und Lehrerinnen der Akademie war die Freude der Trainer, die Freude von Mirjams Klasse war die Freude der Mannschaftskollegen, die Freude von Annas Klasse war die Freude des erfolgreichen Teams, die Freude der Eltern der Mitwirkenden war die Freude der Sponsoren und der Stolz auf das eigene Blut, auch die kleinste Rolle hatte ihren Fanclub, und so mischten sich die verschiedensten Triumphe zu einer Art Siegesfeier, deren Lärmpegel den Grad erreichte, der in den Gesprächen bereits das Verständnis von Konsonanten gefährdete, jedenfalls verstand Manuel einmal Lügner statt Büchner.
    Manuel und Julia warteten vor allem auf Mirjam, Manuel mit einem Glas Orangensaft und Julia mit einem Weißwein in der Hand. Aber zuerst kamen Thomas und Anna auf sie zu, ein Paar, schoss es Julia durch den Kopf, ein richtiges Paar, Thomas hatte seinen Arm um Annas Hüfte gelegt.
    »Sie waren großartig!«, sagte Julia, »einfach großartig!«
    »Wirklich?« Anna konnte es noch nicht ganz glauben.
    »Ich hatte Angst um Sie«, sagte Manuel.
    »Dass ich den Text vergesse?« fragte Anna.
    »Ach wo«, sagte Manuel, »gleich in Ihrer ersten Szene im Garten der Irrenanstalt. Sie spielten derart echt. Ich war richtig froh, dass Sie fliehen konnten.«
    Anna wusste nicht, was sagen.
    »Ich auch!« rief Thomas mit angehobener Stimme ins Getümmel, »wenn sie nur nicht draußen diesen elenden Prinzen gefunden hätte!« Er lachte, Anna lachte auch, dann wurde sie von einer Freundin am Arm gepackt, die sie sogleich abküsste,
und Manuel sagte nur, »Wir sehen uns noch!«, bevor die beiden von der Partywoge verschluckt wurden.
    »Na, Herr Doktor, was sagen Sie zu Ihrer Tochter?« Eine Schauspielerin mit wohlklingender tiefer Stimme legte ihre Hand auf Manuels Arm. Sie war im Ensemble des Schauspielhauses und unterrichtete auch an der Akademie.
    »Die Väter sind immer begeistert«, sagte Manuel, »das ist übrigens die Mutter der Regisseurin - Julia, das ist Lea Losinger.«
    »Freut mich«, sagte Julia »auf der Bühne hab ich Sie schon oft bewundert.«
    »Was sagen denn Sie zur Inszenierung?« fragte Manuel.
    »Hervorragend gemacht«, sagte die Losinger, »frisch, frech, phantasievoll und stimmig. Dieser Schluss, den hab ich so noch nie gesehen.« Sie trat etwas dichter an Manuel heran und kam mit dem Kopf so nahe an sein Ohr, als müsse sie ihm ein Geheimnis verraten. »Bei Büchner geht der König ja einfach ab, aber dass Mirjam nachher diesen Satz variiert, bis zum ›wir‹ - genial! Ich gratuliere!«
    Manuel versuchte sich näher zu Julia zu stellen und sagte: »Gratulieren müssen Sie ihr - da kommt sie.«
    Und bevor Mirjam, die auf ihre Eltern zusteuerte, diese erreichte, warf sich ihr Lea Losinger in den Weg, umarmte und küsste sie und schüttete ihr ganzes Lob über sie aus. Mirjam strahlte, sie stand da wie jemand, der eine Million gewonnen hatte und es noch nicht fassen konnte.
    »Mama, Papa!« rief sie, »wie schön, dass ihr da seid!« und umschlang sie gleichzeitig.
    »Ich bin überwältigt«, sagte Julia, »so schön! Ich freu mich für dich.«

    »Sehr, sehr beeindruckend«, fügte Manuel hinzu, »damit bist du zur Regisseurin geworden.«
    »Ich glaube, es hat allen gefallen«, sagte Julia, »man hört nur Gutes.«
    »Wisst ihr was?« sagte Mirjam, »der Chefdramaturg vom Schauspielhaus war da und hat gefragt, ob ich Lust hätte, einen Fosse im ›Schiffbau‹ zu inszenieren!«
    »Miri, du musst schnell zu uns rüberkommen!« sagte der Schauspieler, der Leonce gespielt hatte und der jetzt einen breitkrempigen roten Hut trug, nahm sie an der Hand und zog sie weg.
    »Bis gleich!« rief Mirjam im Weggehen.
    Mittlerweile erklang aus Lautsprechern Musik, irgendetwas Rockiges, das den Dezibelpegel nochmals ansteigen ließ.
    Manuel beugte sich zu Julias Ohr. » Was soll sie

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