Es muss nicht immer Grappa sein
und mich zu verstecken. Ausgerechnet in einem Schrank. Sie zitterte vor Angst und ich tat ihr den Gefallen.«
Ist ja wie im Film, dachte ich. »Wer waren die Besucher?«
»Mindestens zwei Männer sprachen Russisch. Ein dritter, der klares Deutsch redete, war offenbar ein Kunde. Er bemängelte die Qualität der letzten Lieferung.«
»Konnten Sie den Mann erkennen? Haben Sie einen Namen gehört?«
Adrian verneinte. »Er sprach sehr leise und sehr langsam. Mehr kann ich nicht sagen.«
»Dann hat Ihre Oma wahrscheinlich schon seit Jahren mit Schmuggelware Handel getrieben.«
»Ihre Wohnung war jedenfalls die Umschlagstelle für die Sachen. Das hat sie auch zugegeben. Und mich beschworen, den Mund zu halten, sonst würde man sie umbringen und mich vielleicht auch.«
»Und darauf haben Sie sich eingelassen?«
»Ja. Was sollte ich anderes tun? Ich wollte nicht mit hineingezogen werden – und es ging mich ja nichts an«, seufzte er.
»Und warum erzählen Sie mir das alles?«
»Die Polizei wird mich früher oder später finden.«
»Na und?«
»Oder der Anwalt.«
»Welcher Anwalt?«, fragte ich verblüfft.
»Meine Oma hat gesagt, dass sie mir ihr Geld vererben will – weil ich ihr einziger Verwandter bin. Aber ich denke, es war eher als spätere Belohnung für mein Schweigen gedacht. Das Testament liege bei einem Anwalt, so sagte sie.«
»Einziger Verwandter? Was ist mit Ihrer Mutter?«
»Die ist schon lange tot. Außerdem ja nicht direkt verwandt.«
»Um wie viel Geld geht es?«
»Null Ahnung.«
»Was erwarten Sie von mir?«
Er schaute mich an wie ein braunäugiges Karnickel, das vor einer Schlange sitzt. »Ich musste einfach mit jemandem reden.«
So nicht, dachte ich. Gleich behauptet er noch, dass er eine neue liebe Oma sucht und die Wahl auf mich gefallen ist. »Wollen Sie einen Rat von mir?«
»Bitte.«
»Melden Sie sich bei der Polizei. Sie sind ein wichtiger Zeuge.«
Adrian Schöderlapp kaute auf der Unterlippe. »Und wenn die mich festnehmen?«
»Warum sollten sie das tun?«
»Weil ich von Omas Tod profitiere.«
»So einfältig sind selbst die Bierstädter Bullen nicht«, lachte ich. »Also – gehen Sie hin und packen Sie aus!«
»… mit tastender Hand deine Äpfel zu kosen …«
Adrian trollte sich. Mir war nicht klar, ob er meinen Rat annehmen würde. Meine Gedanken beschäftigten sich noch lange mit diesem merkwürdigen Besuch. Und mir wollte einfach nicht in den Kopf, dass die Polizei es in vier Tagen nicht fertiggebracht hatte, den einzigen Verwandten der Schöderlapp ausfindig zu machen.
Es war Mittag und ich fragte Peter Jansen, ob er Lust auf eine kleine Mahlzeit im Mama Mia habe. Er hatte. Wir bestellten den Salat des Hauses.
»Ich habe gestern zufällig Brinkhoffs Nachfolger kennengelernt«, eröffnete ich ihm. »Mit dem werden wir richtig Spaß kriegen.«
»Harras hat mir die Geschichte schon erzählt. Ihr werdet euch bestimmt noch zusammenraufen. Erinnere dich daran, dass es anfangs zwischen dir und Brinkhoff auch nicht gerade harmonisch lief.«
»Aber die Grundstimmung passte – und das tut sie bei diesem Kleist nicht. Und ich bin zu alt, um noch mal eine solche Vertrauensbasis zwischen unserer Zeitung und einem Oberbullen zu erarbeiten.«
»Zu alt?« Jansen grinste. »Das erzählst du mir schon seit zehn Jahren.«
»Jetzt stimmt es aber wirklich«, seufzte ich. »Weißt du eigentlich, ab wann man bei unserem Verlag in den vorgezogenen Ruhestand gehen kann?«
»Gar nicht. Du arbeitest so lange, bis du fünfundsechzig bist. Und jetzt hör auf mit dem Jammern, Grappa-Baby. Wie wäre es noch mit einem zauberhaften Tiramisu?«
»Zu viele Kalorien«, brummte ich. »Ich nehme lieber einen Eisbecher Tartufo.«
»Machst du Diät?«
Wir lachten.
»Ich fahre übrigens morgen nach Köln und greife mir Kiki Moreno, die Soap-Maus. Sie weiß bestimmt viel zu erzählen – wenn man sie lässt.«
Der Eisbecher kam – ein dunkelbrauner Traum. Jansen löffelte Vanilleeis aus seinem Glas.
»Ich meine es ernst, Peter.«
»Was denn jetzt schon wieder?«
»Dass ich alt und müde bin. Mich einfach nicht gut fühle. Mich nicht mehr gern im Spiegel anschaue.«
»Grappa! Das geht mir auch so. Und meiner Frau ebenfalls. Gerda und du – ihr seid ja fast ein Jahrgang. Ich habe ihr neulich ein Gedicht auf den Nachttisch gelegt. Warte mal, ich krieg es bestimmt noch zusammen. Deine Falten erscheinen mir schöner als alle Glätte der Jugend, mich drängt’s stärker, mit tastender Hand
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