Es muss nicht immer Grappa sein
hatte ich meine dreißig Zeilen zusammen.
Meine Uhr sagte mir, dass in zehn Minuten die nächste Folge von Gute Tage – schlechte Tage über den Schirm flimmern würde. Also nichts wie hin ins Großraumbüro.
Dort saß ein von Sekretärinnen eingekeilter Simon Harras. Susi und Stella hatten eine Internetseite geöffnet und sechs Augen starrten darauf. Priscilla-Anemones Transgender-Seite – so der Titel. Gekicher und Kopfschütteln. Sarah hatte die Geschichte ihres Exmannes zwar wohl unter dem Siegel der Verschwiegenheit erzählt – aber viel zu vielen Leuten.
»Ich will meine Soap sehen«, sagte ich und schaltete den Fernseher ein.
»Schau dir lieber das hier an«, grinste Harras. »Sarahs Exmann. Hast du schon mal einen Kerl mit blonder Perücke und Minirock gesehen, der sich Priscilla-Anemone nennt?«
»Du sahst früher auch mal anders aus, mein Lieber. Mit den Ketten an den Jeans«, antwortete ich.
»Na komm, Grappa! Hatte ich einen Frauennamen? Hab ich Röcke getragen? Wollte ich mir den Schniedel kappen lassen?«
Stella und Susi kicherten.
»Hört euch das an«, rief Stella. »Seine behandelnde Ärztin heißt Dr. med. Brigitte Ständer.«
»Jeder hat den Namen, den er verdient«, grinste Harras.
Gegröle. Ich warf einen Blick auf die Seite. Sexuelle Selbstbestimmung des Menschen war für mich immer selbstverständlich gewesen, doch das, was ich nun sah, strapazierte auch meine Lachmuskeln. Ein Kerl mit Wampe, der ein bauchfreies Top trug und mit langer Blondmähne wie eine Wurst in einem zu engen kurzen Rock steckte. Bildunterschrift: Nach meinem ersten Einkauf als Frau – kicher!
Die Erkennungsmelodie der Soap ertönte: Gu-hute Taaageeee – sche-le-hechte Taaage. Ich wandte mich also dem nächsten Bildschirm zu.
Das Kleine Krokodil, bekanntermaßen auch Sammy genannt, hat sich entschlossen, die geheimnisvolle Pflanze im Dschungel zu suchen, um seiner Mutter die Krebstherapie zu ermöglichen. Die Mutter, in Sorge um das Kind ihrer Liebe zum Häuptling, will ihn davon abhalten. Als sie merkt, dass sie keinen Erfolg haben wird, übergibt sie ihm ein indianisches Amulett, das letzte Geschenk des Häuptlings an sie, bevor er im Kampf um die Ruhestätte der Ahnen hinterrücks gemeuchelt wurde. Das Amulett besteht aus einem ausgehöhlten Tapir-Hüftpfannenknochen, der mit heiliger Erde gefüllt ist.
Schnitt.
Graf Harro von Liechtenstein beauftragt den besten Detektiv des Landes, Sandy zu suchen. Er zeigt dem jungen, attraktiven Detektiv – er heißt Jerome – ein Foto seiner Geliebten.
An Jeromes Gesicht erkennt jeder, dass ihm dieser Job gerade recht kommt. Er hat eine langjährige und schmerzhafte Beziehung zu einer wesentlich älteren Bekannten des Grafen hinter sich und brennt darauf, sich wieder ins Leben zu stürzen.
Schnitt.
Die böse Gräfin von Liechtenstein sitzt in einem Café und schaut nervös auf ihre goldene Armbanduhr. Ein dunkelhaariger Mann mit einer Narbe erscheint und setzt sich an den Tisch der Gräfin. Die beiden begrüßen sich nur mit einem Nicken. Der Mann schiebt ihr einen Umschlag hin. Die Gräfin öffnet ihn und zieht langsam ein Foto heraus. Es zeigt Sandy. Sie ist gefesselt und liegt ohnmächtig oder schlafend auf der Pritsche. Die Gräfin lächelt diabolisch und schiebt ihrerseits dem Mann einen schmalen Umschlag hin. Er guckt kurz hinein, man sieht ein Bündel Geldscheine.
Schnitt.
Sandy im Verlies. Ihrer grazilen Schönheit können die unwürdigen Haftbedingungen nichts anhaben. Das Blondhaar fällt locker, der Lidstrich sitzt eins a, nur die weiße Bluse ist dekorativ angeschmutzt. Ein Knopf scheint abgesprungen zu sein, denn ein fester Busen quillt hervor. Ein Geräusch. Einer der Entführer tritt ein. Er trägt wieder die Maske, damit die Entführte ihn nicht erkennt. Er nähert sich ihr. Schweres Atmen. Sandy weicht zurück. Durch die Augenschlitze glimmt ein lüsterner Blick. Die Kamera schwenkt auf den Busen. »Wir sind ganz allein, meine Süße, und wir werden jetzt ein wenig Spaß miteinander haben …«, zischt der Bösewicht. Seine Hände nähern sich Sandys Bluse, sie jammert: »Bitte nicht …« Doch er ist ganz nah bei ihr. Sandys entsetzte und weit aufgerissene Augen in Großaufnahme.
Song: Gu-hute Tage – schle-hechte Tage …
»Was für ein Scheiß«, brummte Harras. »Absoluter Schwachsinn!«
»Aber sie sieht echt süß aus«, schwärmte Susi. »Die Männer müssen total verrückt nach ihr sein.«
»Wenn ich mit Silikon kuscheln will,
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