Es muß nicht immer Kaviar sein
zierlichste. Er trug einen weißen Mantel und einen goldgefaßten Zwicker und ein funkelndes, einmalig schönes falsches Gebiß. »Kommt rein, Jungs.« Der Doktor hängte eine Tafel an den Türknauf, darauf stand:
HEUTE KEINE SPRECHSTUNDE !
Dann schloß er die Tür und ging durch einen Ordinationsraum mit Drehsessel und blitzenden Geräten voraus in ein Laboratorium, das neben einer kleinen Küche lag. Daselbst machte Bastian die Herren flüchtig miteinander bekannt. Er erklärte Thomas: »Der Doktor arbeitet ständig für uns. Steht bei der Chefin im Exklusivvertrag.«
»Ja, aber nur für falsches Gold. Wenn ihr Brüder was mit den Zähnen habt, geht ihr woandershin«, brummte der Kleine und betrachtete Thomas.
»Komisch, daß wir uns noch nie gesehen haben. Sie sind neu bei der Bande?«
Thomas nickte.
»Kommt gerade aus dem Knast«, erläuterte Bastian Fabre gemütvoll. »Die Chefin hat ’nen Affen an ihm gefressen. Die Arbeit geht auf ihre private Rechnung.«
»In Ordnung. Habt ihr die Formen mitgebracht? Fein, fein. Kann ich gleich sieben Barren auf einmal machen und brauche nicht jedesmal zu warten, bis der Dreck auskühlt.« Dr. Boule packte die Kuchenformen aus und stellte sie nebeneinander. »Die Länge stimmt«, meinte er. »Ihr wollt doch Kilobarren, wie? Dachte ich mir.« Er wandte sich an Thomas. »Wenn es Sie interessiert, können Sie zusehen, junger Mann. Man weiß nie, wozu man so etwas noch braucht.«
»Da haben Sie recht«, sagte Thomas und hob, sich selber anklagend, die Augen zum Himmel.
Bastian brummte: »Ich habe das schon hundertmal gesehen, ich werde mal gehen und uns was zu fressen holen.«
»Aber bitte etwas Kräftiges«, sagte der Zahnarzt, »die Schmelzerei strengt an.«
»Zahlt alles die Chefin. Was soll’s denn sein?«
Der kleine Mann schmatzte: »Henri unten im Haus hat ein paar schicke Enten vom Land reinbekommen, die verschiebt er schwarz, bevor der Kerl von der ›Contrôle économique‹ sie erwischt. Süße, kleine Enten. Wenig Fett und zarte Knochen. Wiegt eine höchstens drei Pfund.«
»Na, dann will ich mal gehen und uns zwei unter den Nagel reißen«, meinte Bastian und verschwand.
Dr. René Boule sprach: »Die Schwierigkeit bei der Herstellung von falschen Goldbarren liegt darin, daß Gold und Blei sehr verschiedene Schmelzpunkte und sehr verschiedene spezifische Gewichte haben. Blei schmilzt schon bei 327 Grad Celsius, Gold erst bei 1063 Grad. Eine so hohe Temperatur würden die Kuchenformen nicht aushalten. Wir müssen sie daher mit Schamotte auslegen.«
Der kleine Mann maß die Formen genau aus, dann zeichnete er Böden und Seitenwände der Kuchenwannen auf die Schamotteplatte, raspelte die Linien mit einer Feile an und brach die Stücke mühelos heraus.
Während er arbeitete, dozierte er: »Nun werden wir uns aus Gips ziegelsteinähnliche Formen herstellen, die gerade so groß sind, daß sie in die mit Schamotte ausgekleideten Kuchenformen passen und dabei an allen Seiten noch drei Millimeter Zwischenraum lassen. Auf der Grundfläche werden wir, solange der Gips noch weich ist, vier Füßchen anbringen, indem wir Streichhölzer in die Masse drücken. Die Hölzchen stehen dann auf der unteren Schamottefläche auf, so daß auch hier der Gips von der Schamotte drei Millimeter entfernt bleibt … Wollen Sie sich nicht Notizen machen?«
»Ich habe ein gutes Gedächtnis.«
»So? Na schön … Wenn die Gipsziegel in der Schamotteauslegung ruhen, können wir darangehen, Gold in einem Tiegel zu schmelzen.«
»Wie erreichen Sie die hohe Temperatur?«
»Mit Hilfe eines Schneidbrenners und der Propangasflasche, die Sie mitgebracht haben, junger Mann.«
»Und was für Gold verwenden Sie?«
»Zweiundzwanzigkarätiges selbstverständlich.«
»Wo bekommt man das?«
»In jeder Scheideanstalt. Ich sammle Bruchgold, und dann tausche ich das Zeug gegen zweiundzwanzigkarätiges um. Wenn das Gold geschmolzen ist, gießen wir die Räume zwischen Schamotteplatten und Gips damit aus und lassen es auf natürlichem Wege erkalten. Nicht etwa mit Wasser abschrecken. – Sie sollten sich doch Notizen machen. – Zuletzt hebe ich den Gipskern heraus und habe nun eine Wanne aus dünnem Goldblech vom Ausmaß eines Einkilogoldbarrens. Und diese Form nun fülle ich mit Blei.«
»Moment mal«, sagte Thomas, »aber Blei ist doch leichter als Gold.«
»Junger Mann, ein Kilo bleibt ein Kilo dem Gewicht nach. Nur das Volumen ändert sich. Und ich gestatte mir kleine Änderungen des
Weitere Kostenlose Bücher