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Es muß nicht immer Kaviar sein

Es muß nicht immer Kaviar sein

Titel: Es muß nicht immer Kaviar sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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großen Tisch und darauf eine komplette elektrische Spielzeugeisenbahn mit gewundenen Schienen, Übergängen, Bergen, Tälern, Tunnels und Brücken.
    Höhnisch fragte Thomas: »Hast du hier einen Kindergarten?«
    »Das ist mein Hobby«, sagte Bastian beleidigt. »Stütze dich bitte nicht auf das Kästchen, du machst den Transformator kaputt … Sag mal, warum bist du bloß so wütend?«
    »Das fragst du noch? Gestern bist du verschwunden. Heute ist Chantal verschwunden. Vor zwei Stunden hat die Polizei die beiden Gestapo-Aufkäufer verhaftet, Herrn Bergier und Herrn de Lesseps. Herr de Lesseps ist mit Gold, Schmuck, Münzen und Devisen in Bandol losgefahren. Aber in Marseille ist er ohne Devisen, Münzen, Schmuck und Gold angekommen. Die Polizei hat den ganzen Zug auf den Kopf gestellt, es kam nichts zutage.«
    »Schau mal einer an, na so was!« Bastian grinste vor sich hin und drückte auf einen Knopf der Anlage. Einer der Züge setzte sich in Bewegung und raste auf einen Tunnel zu.
    Thomas riß einen Stecker aus der Wanddose. Der Zug blieb stehen. Zwei Waggons lugten noch aus dem Tunnel hervor.
    Bastian richtete sich auf, er sah jetzt aus wie ein gereizter Orang-Utan. »Gleich kriegst du eine aufs Zahnfleisch, Kleiner. Was willst du eigentlich?«
    »Ich will wissen, wo Chantal ist! Ich will wissen, wo das Gold ist!«
    »Na, nebenan natürlich. In meinem Schlafzimmer.«
    »Wo?« Thomas schluckte schwer.
    »Was hast denn du gedacht, Mensch? Daß sie mit dem Zeug abhaut? Sie wollte nur alles noch ein bißchen hübsch arrangieren, mit Kerzen und so, damit du eine besondere Freude hast.« Bastian hob die Stimme und rief: »Bist du soweit, Chantal?«
    Eine Tür ging auf. Schöner denn je stand Chantal Tessier da. Enganliegende Hosen aus grünem, rauhem Leder trug sie, eine weiße Bluse, einen schwarzen Gürtel. Ihre Raubtierzähne leuchteten in einem strahlenden Lächeln.
    »Tag, mein Süßer«, sagte sie und nahm Thomas an der Hand. »Komm mit. Jetzt wird der kleine Junge beschert!«
    Willenlos folgte Thomas ihr in das Nebenzimmer. Hier brannten fünf Kerzenstummel, die Chantal auf Untertassen befestigt hatte. Ihr weiches Licht erhellte das altmodische Schlafzimmer mit dem gewaltigen Doppelbett.
    Als Thomas diese Ruhestatt näher besah, schluckte er mühsam und mit enger Kehle. Denn auf dem Bett lagen, gleißend und funkelnd im Licht: gut zwei Dutzend Goldbarren, unzählige Goldmünzen und Ringe, Ketten, Armbänder, moderne und antike, ein uraltes, steingeschmücktes Kruzifix neben einer kleinen, goldeingelegten Ikone und daneben gebündelte Dollarnoten und Pfundnoten.
    Thomas Lieven empfand ein Gefühl, als ob seine Beine sich in Gelee verwandelt hätten. In einem Anfall von Schwäche plumpste er auf einen alten Schaukelstuhl, der sich sogleich hurtig mit ihm in Bewegung setzte.
    Bastian war neben Chantal getreten, rieb sich die Hände, stieß seine Chefin an und grunzte vor Freude: »Das hat hingehauen! Schau ihn dir an! Ganz käsig ist der Kleine!«
    »Ein schöner Tag – für uns alle«, sagte Chantal.
    In seiner Benommenheit sah Thomas die beiden Gesichter vor sich wie weiße Bälle auf bewegtem Wasser. Auf und nieder tanzten sie. Er stemmte die Füße gegen den Boden. Der Stuhl hielt an. Deutlich sah er nun die Gesichter Chantals und Bastians: zwei selige Kindergesichter, ohne Falsch, ohne Verstellung, ohne Arglist.
    Er stöhnte: »Also habe ich recht gehabt. Ihr habt das Zeug geklaut.«
    Bastian wieherte und schlug sich auf den Bauch. »Für dich und für uns! Damit haben wir für den Winter ausgesorgt! Junge, Junge, das ist vielleicht ein Schluck aus der Pulle!«
    Chantal eilte zu Thomas und gab ihm viele kleine, aber heiße Küsse. »Ach«, rief sie, »wenn du wüßtest, wie süß du jetzt aussiehst! Zum Fressen! Ich bin ja ganz verrückt nach dir!« Sie setzte sich auf seine Knie, der Stuhl geriet wieder in Bewegung, und eine neue Woge der Schwäche flutete über Thomas hin.
    Wie durch ein Meer von Watte drang Chantals Stimme an sein Ohr: »Ich habe den Jungens gesagt: Das Ding müssen wir alleine drehen, dazu ist mein Süßer zu moralisch, dazu hat er zu viele Skrupel! Wir wollen ihn gar nicht belasten damit. Wenn wir die Sore vor ihn hinknallen, wird er sich mit uns freuen!«
    Kopfschüttelnd und immer noch schwach forschte Thomas: »Wie seid ihr an die Sore – hm – an das Zeug herangekommen?«
    Darüber referierte Bastian: »Na, als ich gestern mit dir bei dem Schw…, bei dem komischen Bergier war,

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