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Es muß nicht immer Kaviar sein

Es muß nicht immer Kaviar sein

Titel: Es muß nicht immer Kaviar sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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in beinahe märchenhafter Weise eines gemeinsam hatten: Niemand empfand Mitleid mit den Geschädigten.
    Das erste Opfer war der Marseiller Juwelier Marius Pissoladière. Wenn es am 14. Januar 1941 in Marseille nicht geregnet hätte, wäre diesem Herrn vielleicht der tragische Verlust von weit über acht Millionen Franc erspart geblieben. Aber ach, es goß in Strömen von morgens bis abends, und so nahm das Verhängnis seinen Lauf. Marius Pissoladières eleganter Laden lag an der Cannebière, der Hauptstraße von Marseille. Monsieur Pissoladière war ein steinreicher Mann, fünfzigjährig, zu Fettleibigkeit neigend, stets nach der letzten Mode gekleidet.
    In früheren Jahren hatte Pissoladière seine Geschäfte mit der internationalen Gesellschaft der Riviera abgewickelt. In letzter Zeit war ein neuer Kundenkreis an ihn herangetreten – ein ebenso internationaler. Pissoladière verhandelte mit Flüchtlingen aus allen Ländern, die Hitler überfallen hatte. Pissoladière kaufte den Flüchtlingen ihren Schmuck ab. Sie brauchten Geld, um weiterfliehen, um Beamte bestechen, Einreisegenehmigungen erlangen, falsche Pässe bestellen zu können.
    Zu dem Zweck, die Flüchtlinge möglichst elend zu bezahlen, operierte der Juwelier nach einem denkbar einfachen System: Er handelte Tage und Wochen mit den Verkäufern. So lange, bis die Verzweifelten unter allen Umständen Geld haben mußten. Wenn es nach Pissoladière ging, konnte der Krieg ruhig noch zehn Jahre dauern!
    Nein, Herr Marius konnte wirklich nicht klagen. Die Geschäfte gingen bestens. Und alles wäre wohl weiter gutgegangen, wenn es am 14. Januar 1941 in Marseille nicht geregnet hätte …
     
    Am 14. Januar 1941, gegen die elfte Vormittagsstunde, betrat ein Herr von etwa fünfundvierzig Jahren das Juweliergeschäft von Marius Pissoladière. Der Herr trug Homburg, kostbaren Stadtpelz, Gamaschen und dezent grau-schwarz gestreifte Hosen. Ach ja, und einen Regenschirm natürlich!
    Ergreifend vornehm, dieses schmale, bleiche Aristokratengesicht, fand Pissoladière. Müder Reichtum. Uraltes Geschlecht. Genau das, was der Juwelier bei seinen Käufern liebte …
    Pissoladière war allein im Laden. Händereibend, mit untertänigem Blick, verbeugte er sich vor seinem Kunden und wünschte einen guten Morgen.
    Der elegante Herr erwiderte Pissoladières Gruß durch ein müdes Neigen des Kopfes und hängte seinen Schirm (mit der Bernsteinkrücke) an die Kante der Ladentheke.
    Als er redete, erwies sich seine Sprache ein wenig provinziell akzentuiert. Aristokraten, überlegte Pissoladière, tun das wohl, um ihre soziale Gesinnung zu dokumentieren. Menschen wie du und ich. Großartig! Der Herr sprach: »Ich möcht’ bei Ihnen – hm, ein bißchen Schmuck kaufen. Man sagte mir im ›Bristol‹, daß Sie so was in guter Auswahl hätten.«
    »Den schönsten Schmuck von Marseille, Monsieur. Und woran haben Monsieur gedacht?«
    »Na ja, halt an ein – hm – Armband mit Brillanten oder so was …«
    »Haben wir in allen Preislagen. Was wollen Monsieur etwa anlegen?«
    »So zwischen – hm – zwei und – hm, drei Millionen«, erwiderte der Herr und gähnte.
    Donnerwetter, dachte Pissoladière. Der Morgen hat es in sich! Er trat an einen großen Tresor, stellte das Kombinationsschloß ein und sagte dabei: »In dieser Preislage gibt es natürlich schon sehr schöne Stücke.«
    Die dicke Stahltür schwang zurück. Pissoladière wählte neun Brillantarmbänder aus und legte sie auf ein schwarzes Samttablett. Mit diesem trat er vor den Kunden.
    Die neun Armbänder glitzerten und brannten in allen Farben des Regenbogens. Der Herr betrachtete sie lange schweigend. Dann nahm er ein Bracelet in die schmale, wohlmanikürte Hand. Es war ein besonders schönes Stück mit kostbaren, flachen Baguetten und sechs zweikarätigen Steinen.
    »Wie teuer – hm – ist das hier?«
    »Drei Millionen, Monsieur.«
    Drei Millionen Franc waren 1941 etwa 150 000 Mark. Das Armband stammte von der Gattin eines jüdischen Bankiers aus Paris. Pissoladière hatte es für 400 000 Franc erhandelt, besser: herausgepreßt.
    »Drei Millionen ist zuviel«, sagte der Herr.
    Pissoladière erkannte daran sogleich den versierten Schmuckkäufer. Nur Laien akzeptieren den Preis widerspruchslos, den ein Juwelier ihnen zuerst nennt. Ein gewaltiges Handeln begann, ein zähes Hin und Her.
    Da öffnete sich die Ladentür. Pissoladière sah auf. Ein zweiter Gentleman kam herein. Weniger wohlhabend gekleidet als der

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