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Es muß nicht immer Kaviar sein

Es muß nicht immer Kaviar sein

Titel: Es muß nicht immer Kaviar sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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gut das geht?«
    Fred machte es nach. Es funktionierte.
    »Meine Herren«, sagte Thomas, »in der Tat wird es notwendig sein, daß wir uns ausführlich über gute Manieren unterhalten. Gute Manieren sind das A und O jedes ordentlichen Betruges. Haben Sie schon einmal einen Bankier mit schlechten Manieren erlebt?« – Einen
Bankier!
Lieber Gott, ich darf gar nicht daran denken. Meine Bank in London. Mein Club. Mein schönes Heim. Vorbei. Vorbei. Vom Winde verweht.
    »Gute Manieren, jawohl«, sagte Chantal gebieterisch. »Hier weht jetzt überhaupt ein anderer Wind, kapiert? Mein Partner und ich haben alles besprochen. Wir holen uns die Sore … ich meine, unsere Aktionen gelten nicht mehr jedem x-beliebigen …«
    »Sondern?«
    »Sondern nur noch Schweinen, die’s verdienen. Nazis, Kollaborateuren, Geheimagenten, egal welchen. Als ersten nehmen wir also diesen Pissoladière …«, begann Chantal und unterbrach, weil Olive, der dicke Wirt, persönlich das Hauptgericht brachte.
    Olive liebte Thomas für dessen Kochkünste und strahlte ihn an: »Die Pommes frites selbstverständlich zweimal ins Öl geworfen, Monsieur Pierre!«
    »Das habe ich auch nicht anders erwartet«, sagte Thomas herzlich. – Großer Gott, mehr und mehr gefällt mir diese Unterwelt. Wie soll das weitergehen mit mir, wenn das so weitergeht?
    Thomas verteilte die Koteletts und hob sofort die Augenbrauen. »Monsieur de la Rue, Sie benützen ja die
Tortengabel!«
    »Da soll sich aber auch einer auskennen mit dem ganzen Teufelsbesteck!«
    »Was das Besteck betrifft, meine Herren«, sagte Thomas, »so arbeite man sich stets von außen nach innen. Was man an Besteck zum letzten Gang benötigt, liegt dem Teller am nächsten.«
    »Die Rattenkeller möchte ich sehen, in denen ihr aufgewachsen seid«, sagte Chantal hoheitsvoll. Und ganz fein zu Thomas: »Sprich bitte weiter, chéri.«
    »Meine Herren, in Verfolgung unserer geänderten Statuten haben wir, wie gesagt, als ersten den Juwelier auf dem Kieker, will sagen, vorgemerkt. Einen ganz üblen Burschen … Monsieur Meyer – also es ist
vollkommen
unmöglich, daß Sie das Kotelett in die Hand nehmen und den Knochen abnagen! Wo bin ich stehengeblieben?«
    »Pissoladière«, soufflierte Chantal. Jetzt sah sie Thomas sehr verliebt an. Manchmal liebte sie ihn, manchmal haßte sie ihn. Ihre Gefühle wechselten jäh, sie kannte sich selbst nicht mehr ganz genau aus. Ganz genau wußte sie nur, daß sie ohne diesen Hund, diesen elenden Hund, nicht mehr leben wollte.
    »Pissoladière, richtig.« Thomas erklärte, was für ein übler Bursche der Juwelier war. Dann fuhr er fort: »Ich hasse Gewalt. Blutvergießen lehne ich ab. Einbruch durch die Decke, Überfall mit vorgehaltener Pistole und so weiter kommen also überhaupt nicht in Frage. Glauben Sie mir, meine Herren: Die neue Zeit verlangt neue Methoden. Nur die Phantasievollen werden überleben. Die Konkurrenz ist einfach zu groß. Monsieur de la Rue, man nimmt die Pommes frites nicht in die Hand, man benützt die Gabel.«
    Fred Meyer erkundigte sich: »Und wie holen wir dem Pissoladière also die Sore raus?«
    »Mit Hilfe von zwei Regenschirmen.«
    Olive brachte den Nachtisch.
    »Damit die Herren sich gleich daran gewöhnen«, sagte Thomas, »Torte wird mit der kleinen Gabel gegessen und nicht mit dem Löffel.«
    Chantal sagte: »Ihr zwei werdet ordentlich ochsen müssen in den nächsten Tagen. Da ist nichts mit Sauferei und Zocken und Weibern, verstanden?«
    »Herrgott, Chantal, wenn wir schon einmal in Marseille sind …«
    »Erst der Coup, dann das Vergnügen, meine Freunde«, sagte Thomas. »Sie müssen lernen, wie sich Herren anziehen, wie Herren gehen, stehen und sprechen. Möglichst ohne Akzent! Und Sie müssen lernen, wie man Gegenstände unauffällig verschwinden läßt.«
    »Wird kein Honiglecken sein, das kann ich euch sagen!« rief Chantal. »Ihr steht meinem Partner von morgens bis abends zur Verfügung …«
    »Nur nicht nachts«, sagte Thomas und küßte ihre Hand. Sofort wurde sie dunkelrot und ärgerlich und schlug nach ihm und rief: »Ach, laß das doch – vor den Leuten, Mensch! Unausstehlich, diese Handküsserei!« Und die Bestie Chantal funkelte ihn an.
    Tja, das wäre eigentlich alles. Nun können wir ohne Bedenken zum 14. Januar 1941 und jenem Augenblick zurückkehren, in welchem ein unfaßbar veränderter Fred Meyer im Juweliergeschäft des Marius Pissoladière seinen Schirm neben den Schirm eines unfaßbar veränderten Paul

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