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Es muß nicht immer Kaviar sein

Es muß nicht immer Kaviar sein

Titel: Es muß nicht immer Kaviar sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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Crêpes, das sind kleine, hauchdünne Eierkuchen, zu deren Teig man Wasser statt Milch verwendet hat. – Man lasse bei Tisch auf einem Spirituswärmer reichlich Butter heiß, aber keinesfalls braun werden, gebe den Saft und die ganz fein abgeschnittene und gehackte Schale einer Mandarine oder Orange hinzu. Man gebe je einen kleinen Guß Kirsch, Maraschino, Curaçao oder Cointreau und etwas Zucker hinein und lasse immer nur ein Crêpe in der Flüssigkeit heiß werden. Man rolle es dann schnell zusammen und reiche es auf einem vorgewärmten Teller weiter.
    »Keine falsche Bescheidenheit, bitte! Als Brenner entdeckte, daß der SD Sie verhaftet und nach Frèsnes gebracht hatte, da konstruierten wir einen kleinen Spielfall …«
    »Einen kleinen Spielfall?«
    Werthe wies zu dem Aktendeckel mit der Aufschrift GEKADOS , der beim Fenster auf einem Tischchen lag. »Unsere Methode, dem SD Gefangene abzujagen. Wir kombinieren aus irgendwelchen alten Spionagefällen einen neuen, nicht existenten und tippen ein paar neue Zeugenaussagen dazu. Unterschriften und möglichst viele Stempel drauf. Das macht immer Eindruck. In den neuen Zeugenaussagen behaupten dann irgendwelche Leute beispielsweise, ein gewisser Pierre Hunebelle hätte mit einer Reihe von Sprengstoffanschlägen im Raum von Nantes zu tun.«
    Nanette brachte das Cordon bleu.
    Sie warf Thomas einen liebevollen Blick zu und schnitt ihm schweigend das Fleisch klein, bevor sie wieder verschwand. Oberst Werthe lächelte: »Sie haben eine Eroberung gemacht. Wo bin ich stehengeblieben? Ach ja. Der Spielfall. Nachdem wir unseren erfundenen Akt also fertig hatten, ging ich zu Eicher und fragte ihn, ob der SD vielleicht einen gewissen Pierre Hunebelle verhaftet hätte. Ich tat ganz doof. ›Ja‹, sagte er prompt, ›der sitzt in Frèsnes.‹ Da zeigte ich ihm meinen Akt, die Geheime Kommandosache. Damit und mit entsprechend großem Klimbim – Canaris, Himmler und so – machte ich Eicher zum Geheimnisträger und ließ ihn zuletzt den Akt lesen. Der Rest, die Übernahme des reichswichtigen Spions Hunebelle, war dann ganz leicht …«
    »Aber warum, Herr Oberst? Was wollen Sie von mir?«
    »Das beste Cordon bleu meines Lebens. Also schön, im Ernst, Herr Lieven: Wir brauchen Sie. Wir haben ein Problem, das nur ein Mann wie Sie lösen kann.«
    »Ich hasse Geheimdienste«, sagte Thomas Lieven und dachte an Chantal und Bastian und alle seine Freunde, und das Herz tat ihm weh. »Ich hasse sie alle. Und ich verachte sie alle.«
    Oberst Werthe sagte: »Jetzt ist es halb zwei. Um vier Uhr bin ich im Hotel ›Lutetia‹ mit Admiral Canaris verabredet. Er will Sie sprechen. Sie können mitkommen. Wenn Sie für uns arbeiten, haben wir uns mit der ›Gekados‹ die Handhabe geschaffen, Sie aus den Klauen des SD zu befreien. Wenn Sie nicht für uns arbeiten wollen, kann ich nichts mehr für Sie tun. Dann muß ich Sie wieder bei Eicher abliefern …«
    Thomas starrte ihn an. Fünf Sekunden verstrichen.
    »Also?« fragte der Oberst Werthe.
    3
    »Rolle vorwärts!« schrie Feldwebel Adolf Bieselang in die riesige Turnhalle. Ächzend machte Thomas Lieven einen Purzelbaum nach vorn.
    »Rolle rückwärts!« schrie Feldwebel Adolf Bieselang. Ächzend machte Thomas Lieven einen Purzelbaum nach hinten. Elf andere Herren ächzten mit ihm: sechs Deutsche, ein Norweger, ein Italiener, ein Ukrainer und zwei Inder.
    Die Inder behielten beim Purzelbaum die Turbane auf. So streng waren ihre Bräuche.
    Feldwebel Bieselang trug eine deutsche Luftwaffenuniform. Er war 45 Jahre alt, hager, blaß und unentwegt am Zerplatzen vor Wut. Wenn man ihn sah, erschrak man sofort über seinen riesigen aufgerissenen Mund mit den zahlreichen Plomben im Gebiß. Feldwebel Bieselang riß seinen Mund fast ununterbrochen auf, tagsüber beim Brüllen, nachts beim Schnarchen.
    Der Wirkungsbereich von Feldwebel Bieselang – seit zwei Jahren verwitwet, Vater einer mannbaren, außerordentlich hübschen Tochter – lag 95 Kilometer nordwestlich von der Reichshauptstadt Berlin, nahe dem Ort Wittstock an der Dosse.
    Feldwebel Bieselang bildete Fallschirmspringer aus, und zwar – zu seiner Wut – nicht solche in Uniform, sondern solche in Zivil, höchst undurchsichtige Kerle mit höchst undurchsichtigen Aufgaben. Inländer, Ausländer. Ein widerliches Gesocks. Zivilisten eben.
    »Und Rolleeeee vorwärts!«
    Thomas Lieven, alias Jean Leblanc, alias Pierre Hunebelle, alias Eugen Wälterli, purzelte nach vorne.
    Man schrieb den

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