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Es muß nicht immer Kaviar sein

Es muß nicht immer Kaviar sein

Titel: Es muß nicht immer Kaviar sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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Oberst Werthe.
    3
    Am nächsten Morgen irrte Thomas Lieven durch eine Dienststelle des Reichsarbeitsdienstes in Paris. Er verlief sich auf der Suche nach der Abteilung, die für Brücken zuständig war, vollkommen und landete in einem Büro, das er sofort fluchtartig wieder verlassen wollte. Zwei Gründe gab es für seine Panik: vier Bilder an der Wand und die Dame hinter dem Schreibtisch.
    Die Bilder zeigten Hitler, Goebbels, Göring und den Reichsarbeitsführer Hierl. Die Dame war außerordentlich hager und groß, ihr Brust war platt, die Hände waren knochig. Das farblose Haar trug sie zu einem Knoten hochgenommen. An ihrer weißen Bluse saß über der linken Brust ein goldenes Parteiabzeichen und am Kragen eine schwere, gehämmerte Brosche. Sie trug einen braunen Rock, braune Wollstrümpfe und braune, flache Schuhe. Sie sah streng aus, sie war streng gekleidet, und es roch streng in ihrem Büro.
    Thomas war schon wieder halb aus dem Büro entwichen, da traf ihn ihre harte, brüchige Stimme: »Einen Moment!«
    Er drehte sich um und lächelte verzerrt. »Ich bitte um Verzeihung, ich habe mich verlaufen. Guten Tag!«
    Mit drei Schritten war die Frau hinter ihrem Schreibtisch vorgeschossen. »Was heißt hier ›guten Tag‹? ›Heil Hitler‹ lautet unser Gruß!« Sie war fast zwei Köpfe größer als Thomas. »Ich verlange Antwort. Wer sind Sie? Wie heißen Sie?«
    Er sagte gepreßt: »Sonderführer Lieven.«
    »Was für ein Sonderführer? Zeigen Sie den Ausweis!«
    »Wie komme ich dazu? Ich weiß ja auch nicht, wer Sie sind.«
    »Ich«, antwortete die Hagere, die sich offenbar mit Lysolseife wusch, »bin die Stabshauptführerin Mielcke. Seit vier Wochen hier. Persönlicher Auftrag von Reichsarbeitsführer Hierl. Ich habe alle Vollmachten. Hier ist mein Ausweis. Wo ist Ihrer?«
    Stabshauptführerin Mielcke studierte den Ausweis Thomas Lievens genau. Dann rief sie bei Oberst Werthe an und erkundigte sich, ob er einen Sonderführer Lieven kenne. Erst danach bot sie Thomas Platz an: »Der Feind steht überall. Man muß wachsam sein. Also, was wollen Sie?«
    »Wirklich, Frau Mielcke –«
    »Stabshauptführerin. Das ist mein Rang.«
    »Wirklich, Frau Stabshauptführerin –«
    »Nicht Frau. Nur Stabshauptführerin.«
    Da hast du recht, Zimtzicke, nicht Frau, dachte er und sagte mühsam freundlich: »Wirklich, Stabshauptführerin, ich glaube nicht, daß Sie die richtige Instanz für mein Problem sind.«
    »Bin ich. Reden Sie also nicht lange herum. Sprechen Sie!«
    In Thomas kroch langsam eine Welle siedendheißer Wut hoch. Noch beherrschte er sich. »Mein Auftrag ist geheim. Ich kann darüber nicht sprechen.«
    »Ich verlange es von Ihnen. Als Bevollmächtigte des Reichsarbeitsführers habe ich das Recht dazu. Ich lasse Sie festnehmen, wenn Sie nicht sofort …«
    Thomas brüllte los: »Stabshauptführerin, ich verbitte mir diesen Ton …«
    »Sie haben sich überhaupt nichts zu verbitten! Ich werde noch heute einen Bericht abfassen. Über frontfähige junge Leute, die sich hier unter dem Deckmantel ›Abwehr‹ im Pariser Sündensumpf herumdrücken. Ich werde persönlich dem Reichsarbeitsführer berichten!«
    Jetzt hatte Thomas genug, jetzt konnte er nicht mehr. Er schrie sie an: »Und ich werde
meinen
Bericht abfassen! An den Admiral Canaris persönlich. Sie sind wohl wahnsinnig geworden? Wie reden Sie denn mit mir? Auf so was wie Sie haben wir hier gerade gewartet!« Er wurde tückisch: »Stabshauptführerin entspricht dem Rang eines Obersten, was? Da ist ein Admiral doch wohl immer noch ein bißchen mehr, wie?« Er schlug auf den Tisch und schrie: »Sie werden sich vor Admiral Canaris zu verantworten haben, verstanden?«
    Sie starrte ihn mit schmalen Augen an, die wäßrig waren, blau und nordisch. Sie sagte langgedehnt und lächelnd und feige: »Was regen Sie sich denn so auf, Sonderführer? Ich tue doch nur meine Pflicht.« Sie schluckte.
    Thomas dachte: Jetzt hat sie Angst. Jetzt will sie mich versöhnen. Aber ich kann nicht mehr. Ich ersticke, wenn ich hier noch eine Minute bleibe. Er sprang auf, riß den rechten Arm hoch und brüllte: »Heil Hitler, Stabshauptführerin!« »So warten Sie doch …«
    Aber er war schon bei der Tür, riß sie auf und warf sie dröhnend hinter sich ins Schloß. Weg! Weg! An die frische Luft!
     
    Am 11. Juli landete Thomas Lieven im Hauptquartier der Organisation Todt. Hier war er an einen Baurat namens Heinze verwiesen worden. HEINZE stand auch an der Tür des Büros, welche

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