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Es muß nicht immer Kaviar sein

Es muß nicht immer Kaviar sein

Titel: Es muß nicht immer Kaviar sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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erklärte seinem Freund, dem Reichsmarschall: »Diesen Pool werde ich den Engländern kaputtmachen!«
    Das imponierte Göring. Er gestattete Lamm, etwa 6000 Teppiche aus Holland nach Paris zu bringen. Die Teppiche stammten zum größten Teil aus jüdischem Besitz. Lamm hatte sie gestohlen oder beschlagnahmt. Nun richtete er sich auf den Champs-Elysées einen schönen Laden ein und – verkaufte die Teppiche. Nebenbei aber stahl und requirierte er in Frankreich weiter. Kein Mensch hatte den Mut, den Göring-Freund zur Rechenschaft zu ziehen.
    Kein Mensch?
    Zusammen mit Oberst Werthe und dem kleinen Major Brenner legte Thomas Lieven dem Teppich-Lamm eine Fußangel! Er spielte ihm die Adresse eines Landhauses vor Paris zu, das einem Juden gehörte und in welchem herrliche Smyrna- und Perserteppiche lagen.
    Die Villa gehörte tatsächlich einem Juden – aber einem südamerikanischen. Das wußte Lamm nicht. Er ließ die Teppiche beschlagnahmen, und das brach ihm den Hals.
    Die südamerikanische Gesandtschaft protestierte prompt beim Doyen des Diplomatischen Corps, dem schwedischen Generalkonsul Nordling.
    Der sprach beim Militärbefehlshaber Frankreichs, dem General Karl-Heinrich von Stülpnagel, vor.
    Der Skandal beschäftigte neutrale Diplomaten in Paris so sehr, daß auch Göring seinen Freund nicht mehr zu schützen wagte. Herr Lamm verlor seine gesamte Habe und wanderte ins Gefängnis.
    2. Ähnlich verfuhr unser Freund mit den Professoren Dienstag und Landwend um Weihnachten 1943, etwa zu jener Zeit, da die Briten an der nordnorwegischen Küste das Schlachtschiff »Scharnhorst« versenkten. Diese Herren kauften im Auftrage des munteren Reichsmarschalls in Frankreich Kunstgegenstände und Gemälde auf – und zwar mit falschen französischen Franc-Noten, die in der Nähe von Stuttgart hergestellt worden waren.
    Thomas Lieven erbrachte den lückenlosen Nachweis, daß vier Gemälde, welche die Herren Professoren in Paris angekauft hatten, aus dem Besitz des Schweizer Diplomaten Egon Treumer stammten. Dem waren sie gerade gestohlen worden.
    Wiederum schaltete sich der Militärbefehlshaber in Frankreich ein. Der Skandal nahm so ungeheure Formen an, daß Göring zu Hitler gerufen wurde.
    Ach, jetzt hätten wir aber fast die Pointe vergessen: Die beiden Berufseinbrecher, welche die vier Bilder in der Wohnung Egon Treumers gestohlen und den beiden Professoren zugespielt hatten, waren alte Freunde von Thomas Lieven. Er bezahlte sie gut für diesen bestellten Einbruch. Die Polizei kam den beiden niemals auf die Spur …
    3. Am 4. Januar 1944 überschritten die Russen die alte polnische Grenze. Am 22. Januar landeten in Italien, bei Anzio, alliierte Truppen im Rücken der deutschen Stellung. Etwa zur gleichen Zeit kam es zu »Lievens Zitronengeschäft«.
    Anfang des Jahres hatte unser Freund einen Wink aus Bordeaux erhalten. Der Wink stammte von einem alten Kassenschränker, den Thomas seinerzeit in Marseille als Mitglied von Chantal Tessiers Ganovenbande kennengelernt hatte, und lautete, auf schlechtem Papier unorthographisch geschrieben, in der unorthographischen Übersetzung so:
    Liber Freund! Hir giebt es im Hafen ein Lager, wo von der deutschen Kriegsmarine bewacht wird. Da ligen 420 Tohnen Zigaretenpapier, fersandfertich. Weil Amerika in den Krieg eingetreten ist, ist dieses Papier nicht mer versand worden. Es handelt sich, liber Freund, um feinstes Schiffonpapier, Marktpreis 190 Schweitzer Franken das Kilo. Also eine Wucht. Der SD ist hinter dem Lager hehr und will es beschlacknamen. Als »feindliches Eigentum«. Darum beeile Dich, liber Freund.
    Thomas Lieven beeilte sich. Er wußte: Was der SD beschlagnahmte, kam immer einigen wenigen, niemals vielen zugute. Er fuhr nach Bordeaux. Hier kannte der brave Major Brenner einen Kapitänleutnant der Kriegsmarine. Mit diesem verstand Thomas sich sofort ausgezeichnet.
    Seit der Bilderaffäre war Thomas mit dem Schweizer Diplomaten Egon Treumer befreundet. Dank Treumer konnte Thomas dem Kapitänleutnant sogleich einen Mann in Basel vorschlagen, der fähig und willens war, das amerikanische Chiffonpapier zu kaufen. Preis: 760 000 Schweizer Franken.
    Vor einer solchen Summe kapitulierte auch die deutsche Kriegsmarine. In einer Zeit, da Menschentrauben an jedem Waggon hingen, da es für Truppentransporte nicht mehr genug Züge gab, rollten 420 Tonnen amerikanisches Zigarettenpapier, in Kisten verpackt, mit Wehrmachtsfrachtbriefen quer durch Frankreich in die Schweiz. Ziel:

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