Es muß nicht immer Kaviar sein
gibt, lieber Gott. Denn bei Nebel können meine drei Richter nicht landen. Und meine Rache wäre unvollkommen an den Bluthunden in der Avenue Foch, die mich einmal fast totgeschlagen haben …
Die SD -Führer in der Avenue Foch empfingen Thomas ernst und streng. Er merkte sofort: Sie hatten keine Ahnung von dem, was auf sie zukam. Der »Reichsheini« hatte sie nicht gewarnt.
Der rotgesichtige Sturmbannführer Eicher und sein Adjutant, der blasse Fritz Winter, sprachen gefaßt und markig mit Thomas. Sie verhielten sich wie manche jener Generäle, Kriegsgerichtsräte und Offiziere, die in den letzten Kriegsjahren oft aus geringsten Anlässen deutsche Soldaten zum Tode verurteilten. Vor der Hinrichtung ihrer Opfer erschienen sie, um den Delinquenten gefaßt und markig zu erklären, warum es unumgänglich war, daß sie erschossen würden.
Worte dieser Art fanden die Herren Eicher und Winter nun auch für Thomas Lieven, der ihnen in einem grauen Freskoanzug (weißes Hemd, schwarze Krawatte, schwarze Schuhe und Socken) mit übergeschlagenen Beinen gegenübersaß.
Eicher: »Sehen Sie mal, Lieven, persönlich haben wir nichts gegen Sie. Im Gegenteil! Es gefällt uns, daß Sie den Mut hatten herzukommen. Aber es geht um das Reich, um die Gemeinschaft …«
Winter: »Grinsen Sie ruhig, Lieven. Das Grinsen wird Ihnen vor dem Kriegsgericht vergehen.«
Eicher: »Recht ist, was dem deutschen Volke nützt. Unrecht, was ihm schadet. Sie haben Ihrem Volke geschadet. Ich will, daß Sie dies einsehen …«
»Darf ich eine Frage stellen?« sagte Thomas mit höflicher Verbeugung. »Ist es wirklich erst zehn Minuten nach fünf, oder geht meine Uhr nach?«
In dem Blick, den ihm Eicher gab, lag haßvolle Bewunderung. »Warum konnten Sie nicht ein anständiger Mensch bleiben und zu uns kommen? Sturmbannführer könnten Sie heute sein. Ihre Uhr geht richtig.«
Thomas stand auf, schlenderte zum Fenster und sah in einen herbstlichen Garten hinab und zu einem herbstlichen Himmel empor. Keine Spur von Nebel.
»Erzählen Sie doch, wie Sie mir auf die Schliche gekommen sind, meine Herren«, sagte Thomas Lieven.
Sturmbannführer Eicher und sein Adjutant erzählten selbstgefällig, wie sie dank der Stabshauptführerin Mielcke darauf gekommen waren, daß Thomas Lieven eine gefährliche französische Widerstandskämpferin namens Yvonne Dechamps mit einem Ausweis der Abwehr als deutsche Geheimagentin nach Lissabon gebracht hatte.
Lieven hörte ihnen freundlich zu, dann schaute er wieder auf seine Uhr.
Eicher grunzte: »Haltung bis zuletzt? Gefällt mir, Mann, gefällt mir sehr.«
Winter: »Alle Beweise gegen Sie liegen bereits dem Reichsführer SS vor. Das Kriegsgericht gegen Sie tritt in den nächsten Tagen zusammen.«
Eicher: »Und jetzt kann Ihnen kein Mensch mehr helfen. Oberst Werthe nicht. Admiral Canaris nicht. Niemand!«
Thomas schaute wieder auf die Uhr.
Aus dem Stiegenhaus drang gedämpfter Lärm ins Zimmer: Befehle, Stiefelgepolter. Thomas fühlte, wie sein Herz schneller klopfte. Er sagte: »Ich hoffe, die Herren werden mir die Ehre geben, bei meiner Hinrichtung anwesend zu sein.«
Jetzt horchte Eicher auf: »Was ist da draußen los?«
Die Tür flog auf. Eine Ordonnanz erschien erschreckt, salutierte und meldete mit belegter Stimme: »Drei Herren aus Berlin, Sturmbannführer, äußerst dringend … Sonderkommission Reichssicherheitshauptamt …«
Na also, dachte Thomas. Zum letztenmal an diesem Tag sah er aus dem Fenster und zum Himmel empor. Danke, lieber Gott! – Eicher und Winter saßen erstarrt. Eicher stotterte: »Son … Son … Sonderkommission?«
Da kamen sie schon herein. Der SS -Richter im Rang eines Gruppenführers trug eine schwarze Uniform und Stiefel und sah unheimlich aus. Die beiden Kriegsgerichtsräte waren kleiner, trugen Brillen und salutierten militärisch.
Der SS -Richter hob die Hand zum sogenannten deutschen Gruß. Seine Stimme klang kalt: »Heil Hitler! Sturmbannführer Eicher? Angenehm. Gebe Ihnen sofort alle nötigen Erklärungen. Wie heißen Sie?«
»Untersturmführer Winter …«
»Und Sie?«
Eicher kam etwas zu sich: »Das ist nur ein Besucher. Sie können jetzt gehen, Herr Lieven …«
Der SS -Richter horchte auf: »Sonderführer Thomas Lieven?«
»In der Tat«, sagte unser Freund.
»Ich bitte Sie hierzubleiben.«
Eicher ächzte: »Aber wieso …?«
»Sturmbannführer, rufen Sie den Obersturmführer Redecker in dieses Zimmer. Aber kein Wort der Warnung,
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