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Es muß nicht immer Kaviar sein

Es muß nicht immer Kaviar sein

Titel: Es muß nicht immer Kaviar sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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Buchstabe ist Ihr Ausgangspunkt. Von ihm aus beginnen Sie nach den angegebenen Code-Ziffern die anderen Buchstaben auszuzählen …«
    Jupiter verteilte Zettel. Darauf standen verschlüsselte Botschaften.
    Die halbe Klasse entschlüsselte sie richtig, die halbe Klasse versagte, darunter Thomas Lieven. Seine Bemühungen um den Klartext sahen so aus: »Twmxdtrrre illd m ionteff …«
    »Noch einmal«, sagte Jupiter.
    Sie versuchten es noch einmal mit dem gleichen 50 : 50-Resultat.
    »Und wenn wir es die Nacht durch üben«, sagte Jupiter.
    Sie übten es die Nacht durch.
    Im Morgengrauen kamen sie darauf, daß an die Schüler aus Versehen zwei verschiedene Auflagen des Romans verteilt worden waren, nämlich die zweite und die vierte. Die Ausgaben unterschieden sich durch einige Kürzungen in der vierten. Die Kürzungen hatten eine gelinde Seitenverschiebung mit sich gebracht …
    »So etwas«, sagte Jupiter bleich, aber fanatisch, »ist natürlich in der Praxis ausgeschlossen.«
    »Natürlich«, sagte Thomas Lieven.
    7
    Dann veranstaltete Jupiter ein großes Fest, bei dem es sehr viel zu trinken gab. Ein glutäugiger, langwimperiger Schüler namens Hänschen Nolle – er hatte eine Haut wie Milch und Blut – betrank sich übermäßig. Am nächsten Tag wurde er vom Kursus ausgeschlossen. Mit ihm verließen der Engländer und ein Österreicher das Lager. Es hatte sich im Lauf der Nacht ergeben, daß sie nicht würdig waren, Geheimagenten zu sein …
    In der vierten Woche wurde die Klasse in einen unwirtlichen Wald geleitet. Hier verblieben die Herren mit ihrem Lehrer acht Tage.
    Sie schliefen auf dem harten Boden, waren den Unbilden der Witterung ausgesetzt und lernten, da der Proviant geplantermaßen nach drei Tagen ausging, sich von Beeren, Rinden, Blättern und eklem Getier zu ernähren. Thomas Lieven lernte es nicht, denn er hatte ähnliches vorausgesehen und etliche Konserven in die Schule eingeschmuggelt. Am vierten Tage genoß er noch belgische Gänseleberpastete. Zu einem Zeitpunkt, da sich die anderen Schüler bereits um das Viertel einer Waldmaus prügelten, bewahrte er darum eine stoische Ruhe, die ihm das Lob Jupiters einbrachte: »Nehmen Sie sich ein Beispiel an Herrn Meier, meine Herren. Ich kann nur sagen: Voilà, un homme!«
    In der sechsten Woche führte Jupiter die Klasse zu einem tiefen Abgrund. Man stand auf einem schroffen Felsen und blickte in eine fürchterliche Tiefe, deren Grund von einem gazeartigen Gewebe verdeckt wurde.
    »Runterspringen!« schrie Jupiter. Schaudernd drängten die Schüler zurück – bis auf Thomas. Seine Kollegen beiseite stoßend, rannte er los, schrie hurra und sprang in die Tiefe. Er hatte sich blitzschnell überlegt, daß der französische Staat wohl kaum viel Geld für seine körperliche und geistige Ertüchtigung ausgeben würde mit dem Endziel, ihn zum Selbstmord zu treiben. In der Tat gab es unter dem reißenden Gazestreifen denn auch mehrere elastische Gummibahnen, die seinen Sturz behutsam auffingen. Jupiter versicherte ekstatisch: »Sie sind mein bester Mann, Meier! Von Ihnen wird noch einmal die Welt sprechen!«
    Womit er recht behalten sollte.
    Einen einzigen Tadel seines Lehrers holte sich Thomas, und zwar, als Jupiter das Schreiben mit unsichtbaren Tinten lehrte, wozu man nicht mehr benötigt als eine Feder, Zwiebelsaft und ein rohes Ei. Da fragte Thomas wissensdurstig: »Bitte sehr, an wen wendet man sich in einem Gestapo-Gefängnis am besten, wenn man Zwiebeln, Federn und rohe Eier benötigt?«
    Den Abschluß des Kurses bildete das »Große Verhör«. Zu mitternächtlicher Stunde wurden die Schüler brutal aus dem Schlaf gerissen und vor ein Tribunal der Deutschen Abwehr geschleppt. Dasselbe setzte sich aus den Lehrern des Kurses unter Vorsitz von Jupiter zusammen. Die den Schülern inzwischen wohlbekannten Instruktoren saßen in deutschen Uniformen hinter einem langen Tisch. Jupiter spielte einen Oberst. Die verkleideten Lehrer brüllten die Schüler an, ließen sie in grelle Scheinwerfer blicken und verweigerten ihnen eine Nacht lang Speise und Trank, was nicht schlimm war, denn alle hatten ein umfangreiches Abendessen hinter sich.
    Mit Thomas ging Jupiter besonders streng zu Gericht. Er gab ihm ein paar Ohrfeigen, ließ ihn mit dem Gesicht zur Wand ausharren und drückte ihm einen kühlen Pistolenlauf ins Gesicht.
    »Gestehen Sie!« schrie er ihn an. »Sie sind ein französischer Spion!«
    »Ich habe nichts zu sagen«, antwortete Thomas heldenhaft.

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