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Es muß nicht immer Kaviar sein

Es muß nicht immer Kaviar sein

Titel: Es muß nicht immer Kaviar sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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Österreicher, fünf Deutsche, ein Pole und ein Engländer.
    Der Leiter des Kurses war ein hagerer, blasser Mann von ungesunder Gesichtsfarbe, so geheimnisvoll und bedrückt, so überheblich und unsicher wie sein deutscher Kollege Major Loos, den Thomas in Köln kennengelernt hatte.
    »Meine Herren«, sagte dieser Mensch zu der versammelten Agentenschar, »ich bin Jupiter. Für die Dauer des Kurses wird sich jeder von Ihnen einen falschen Namen zulegen. Sie haben eine halbe Stunde Zeit, dazu einen passenden falschen Lebenslauf zu ersinnen. Diese erfundene Identität müssen Sie von nun an unter allen Umständen verteidigen. Ich und meine Kollegen werden alles tun, um Ihnen zu beweisen, daß Sie nicht der sind, für den Sie sich ausgeben. Suchen Sie sich also eine Persönlichkeit zusammen, die Sie auch gegen unsere Angriffe verteidigen können.«
    Thomas entschloß sich zu dem prosaischen Namen Adolf Meier. Er investierte niemals Phantasie in aussichtslose Unternehmen.
    Am Nachmittag erhielt er einen grauen Drillichanzug. Auf der Brust war der falsche Name eingestickt. Die anderen Schüler trugen die gleiche Arbeitskleidung.
    Das Essen war schlecht. Das Zimmer, das man Thomas zuwies, war scheußlich, das Bettzeug klamm. Vor dem Einschlafen ließ unser Freund immer wieder wehmütig seine geliebte Repetieruhr schlagen, schloß dazu die Augen und stellte sich vor, er läge in seinem schönen Bett in London. Um drei Uhr morgens wurde er durch wüstes Gebrüll aus dem Schlaf gerissen.
    »Lieven! Lieven! Melden Sie sich endlich, Lieven.«
    Schweißgebadet fuhr Thomas hoch und ächzte: »Hier!«
    Im nächsten Moment bekam er zwei schallende Ohrfeigen. Vor dem Bett stand Jupiter, grinste dämonisch und sagte: »Ich dachte, Sie heißen Meier, Herr Lieven! Wenn Ihnen das in der Praxis passiert, sind Sie ein toter Mann. Gute Nacht. Schlafen Sie gut weiter.«
    Thomas schlief nicht gut weiter. Er dachte darüber nach, wie er um neuerliche Ohrfeigen herumkommen konnte. Er fand es bald heraus. In den folgenden Nächten konnte Jupiter brüllen, so wüst er wollte. Stets wurde Thomas langsam wach, kam zu sich und beharrte sodann auf seiner falschen Identität: »Was wollen Sie von mir? Ich heiße Adolf Meier!«
    Jupiter zeigte sich begeistert: »Eine phantastische Selbstbeherrschung haben Sie!«
    Er wußte nicht, daß Thomas jetzt nachts nur genügend Watte in den Ohren hatte …
    Die Schüler lernten mit Gift, Sprengstoff, Maschinenpistolen und Revolvern umgehen. Von zehn Schüssen, die Thomas abgab, saßen zu seiner Verblüffung acht im absoluten Zentrum der Scheibe. Er sagte benommen: »Zufall. Ich kann überhaupt nicht schießen.«
    Jupiter lachte glucksend: »Können nicht schießen, Meier? Ein Naturtalent sind Sie!«
    Von den nächsten zehn Schüssen saßen sogar neun im Zentrum, und Thomas meinte erschüttert: »Der Mensch ist sich selbst ein Rätsel!«
    Diese Erkenntnis ließ ihn in der folgenden Nacht nicht schlafen. Er dachte: Was ist mit mir los? Ein Mann, der so wie ich aus seiner Bahn geschleudert wird, müßte doch eigentlich verzweifelt sein, saufen, mit Gott hadern, Selbstmord begehen. Also wirklich! Bin ich verzweifelt, saufe ich, verkomme ich, hadere ich, denke ich an Freitod?
    Mitnichten.
    Mir selber kann ich die furchtbare Wahrheit eingestehen: Das ganze Abenteuer beginnt mich zu unterhalten, macht mir Spaß, amüsiert mich. Ich bin noch jung. Ich habe keine Familie. Wer erlebt schon so etwas Verrücktes?
    Französischer Geheimdienst. Das heißt, ich arbeite gegen mein Land, gegen Deutschland. Moment mal! Gegen Deutschland – oder gegen die Gestapo?
    Na also.
    Aber daß ich auch schießen kann … Nicht zu fassen! Ich weiß schon, warum mich das alles eher amüsiert als erschüttert: weil ich einen so überseriösen Beruf ausgeübt habe. Da mußte ich mich dauernd verstellen. Anscheinend kommt das hier alles meinem wahren Wesen viel mehr entgegen. Pfui Teufel, habe ich einen Charakter!
    Er lernte morsen. Er lernte im Geheim-Code schreiben und einen Geheim-Code dechiffrieren. Zu diesem Zweck verteilte Jupiter zerblätterte Exemplare des Romans »Der Graf von Monte Cristo«.
    Er erklärte: »Das System ist denkbar einfach. In der Praxis tragen Sie so ein Buch bei sich. Nun erhalten Sie eine Code-Meldung. Sie nennt zuerst drei Zahlen, die immer wechseln. Die erste Zahl nennt die Seite des Romans, die Sie zu benützen haben, die zweite Zahl die Zeile auf der Seite, die dritte den Buchstaben auf der Zeile. Dieser

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