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Es muß nicht immer Kaviar sein

Es muß nicht immer Kaviar sein

Titel: Es muß nicht immer Kaviar sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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Also legten sie ihm Daumenschrauben an und drehten sie zu. Sobald Thomas den ersten leichten Schmerz verspürte, äußerte er »Aua!« Und sofort wurden die Schrauben wieder gelockert. Gegen sechs Uhr morgens verurteilten sie ihn wegen Spionage zum Tode. Jupiter forderte ihn ein letztes Mal auf, militärische Geheimnisse zu verraten, dann würde man ihm das Leben schenken.
    Thomas spie dem Vorsitzenden vor die Füße und rief: »Lieber in den Tod!«
    Also führten sie ihn wunschgemäß hinaus in einen schmutzigen Hof und stellten ihn im Morgengrauen an eine kalte Mauer und erschossen ihn ohne militärische Ehren, dafür aber nur mit Platzpatronen. Dann gingen sie alle frühstücken.
    Thomas Lieven – fast ist es unnötig, dies besonders zu betonen – bestand den Kursus mit Auszeichnung. Jupiter hatte Tränen in den Augen, als er ihm ein entsprechendes Dekret und einen französischen Paß auf den Namen »Jean Leblanc« überreichte. »Glück auf, Kamerad! Ich bin stolz auf Sie!«
    »Sagen Sie, Jupiter, wenn Sie mich jetzt so ziehen lassen, überkommt Sie da nicht Angst, ich könnte einmal in die Hände der Deutschen fallen und alles verraten, was ich hier gelernt habe?«
    Lächelnd antwortete Jupiter: »Da gäbe es wenig zu verraten, alter Freund. Die Ausbildungsmethoden der Geheimdienste in aller Welt sind einander ähnlich! Sie stehen alle auf der gleichen Höhe. Sie bedienen sich alle der letzten medizinischen, psychologischen und technischen Erkenntnisse!«
     
    Am 16. Juli 1939 kehrte Thomas Lieven nach Paris zurück und wurde von einer Mimi in Empfang genommen, die sich betrug, als wäre sie ihm tatsächlich sechs Wochen lang treu gewesen.
    Am 1. August erhielt Thomas Lieven durch Vermittlung von Oberst Siméon eine komfortable Wohnung am Square du Bois de Boulogne. Von hier konnte er mit dem Wagen in fünfzehn Minuten seine Bank auf den Champs-Elysées erreichen.
    Am 20. August bat Thomas Lieven den Oberst um Verständnis dafür, daß er nach allen Anstrengungen trotz der angespannten Weltlage mit Mimi zur Erholung nach Chantilly fahren wolle, dem Zentrum des Pferdesports und Ausflugsort der Pariser.
    Am 30. August verkündete Polen die Generalmobilmachung.
    Am Nachmittag des nächsten Tages machten Thomas und Mimi einen Spaziergang zu den Teichen von Commelle und dem Schloß der Königin Blanche.
    Als sie gegen Abend in die Stadt zurückkehrten, sahen sie die Sonne blutrot im Westen versinken. An verträumten Villen der Jahrhundertwende vorbei schritten sie, Arm in Arm, über abgetretenes Kopfsteinpflaster, zu ihrem »Hôtel du Parc« in der Avenue du Maréchal Joffre.
    Als sie die Halle betraten, winkte der Portier: »Voranmeldung aus Belfort, Monsieur Lieven!«
    Wenig später hörte Thomas die Stimme von Oberst Siméon: »Lieven, sind Sie endlich da?« Der Oberst sprach deutsch und sagte gleich, warum: »Ich kann nicht riskieren, daß jemand in Ihrem Hotel mich versteht. Hören Sie zu, Lieven, es geht los.«
    »Krieg?«
    »Ja.«
    »Wann?«
    »In den nächsten achtundvierzig Stunden. Sie müssen morgen mit dem ersten Zug nach Belfort kommen. Melden Sie sich im ›Hôtel du Tonneau d’Or‹. Der Portier wird Bescheid wissen. Es handelt sich …«
    In diesem Augenblick wurde die Verbindung unterbrochen.
    Thomas schlug auf die Gabel. »Hallo! Hallo!«
    Eine strenge Frauenstimme meldete sich. »Monsieur Lieven, Sie wurden getrennt. Sie haben in einer fremden Sprache gesprochen.«
    »Ist das verboten?«
    »Jawohl. Seit heute um 18 Uhr. Ferngespräche dürfen nur noch in französischer Sprache geführt werden.«
    Die Stimme verstummte. Die Leitung war tot.
    Als Thomas Lieven aus der Zelle trat, gab ihm der Portier einen seltsamen Blick. Es fiel Thomas nicht besonders auf. Er erinnerte sich erst wieder an den Blick, als es um fünf Uhr morgens an seiner Hotelzimmertür klopfte …
    Mimi schlief, zusammengerollt wie eine kleine Katze. Er hatte es nicht über das Herz gebracht, ihr noch am Abend zu sagen, was er wußte. Draußen war es schon hell, in den alten Bäumen sangen viele Vögel.
    Es pochte wieder, recht heftig diesmal. Das können doch unmöglich schon die Deutschen sein, dachte Thomas und beschloß, nicht zu reagieren.
    Eine Stimme erklang: »Monsieur Lieven, öffnen Sie. Wenn Sie nicht öffnen, werden wir die Türe eintreten.«
    »Wer ist da?«
    »Polizei.«
    Seufzend erhob sich Thomas. Mimi erwachte mit einem kleinen Schrei. »Was ist, chéri?«
    »Ich nehme an, ich werde wieder mal

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