Es muß nicht immer Kaviar sein
erhitze sie, übergieße sie mit Kirschwasser oder Kognak. Man zünde die Kirschen im Alkohol an und gebe sie nach dem Abbrennen auf die Zitronencreme.
Der General blieb am Fenster stehen und blickte hinab in das liebliche Tal zwischen den Vogesen und dem Juragebirge. »Dies ist nicht die Zeit, sich etwas vorzumachen. Herr Hitler hat also den Krieg begonnen. In wenigen Stunden geht unsere Kriegserklärung an ihn hinaus. Aber …« Der General drehte sich um. »Frankreich, Herr Lieven, ist nicht vorbereitet auf diesen Krieg. Wir vom Geheimdienst schon überhaupt nicht … Es handelt sich um ein Problem aus Ihrer Berufssphäre. Sprechen Sie es aus, Oberst.«
Siméon schluckte, dann sagte er: »Wir sind nämlich fast pleite, alter Freund!«
»Pleite?«
Der General nickte nachdrücklich. »Jawohl, mein Herr. Mittellos beinahe. Angewiesen auf lächerliche Zuwendungen des Kriegsministers. Unfähig, im großen zu operieren, wie das jetzt nötig wäre. Geknebelt. Aktionsunfähig.«
»Das ist aber bös«, sagte Thomas Lieven, während ihn eine fürchterliche Lust zu lachen anflog. »Entschuldigen Sie, aber wenn ein Staat kein Geld hat, dann sollte er sich vielleicht lieber keinen Geheimdienst leisten!«
»Unser Staat hätte genug Geld gehabt, um sich auf einen Angriff Deutschlands vorzubereiten. Leider, Monsieur, gibt es Kreise in Frankreich, die, selbstsüchtig und egoistisch, zusätzliche Steuern ablehnen und nur raffen und schieben und sich sogar in dieser Situation noch am Elend unseres Vaterlandes bereichern.« Der General richtete sich hoch auf: »Ich weiß, daß ich mich in dreizehnter Stunde an Sie wende. Ich weiß, daß ich schier Unmögliches verlange. Dennoch frage ich: Glauben Sie, daß es einen Weg gibt, uns schnellstens – schnellstens, sage ich – mit großen – großen, sage ich – Geldbeträgen zu versorgen, damit wir arbeiten können?«
»Das muß ich mir überlegen, Herr General. Aber nicht hier.«
Thomas sah die kriegerischen Karten an. »Hier fällt mir nichts Gescheites ein.« Sein Gesicht erhellte sich. »Wenn es den Herren angenehm ist, werde ich mich jetzt verabschieden und im Hotel ein kleines Abendessen vorbereiten, bei dem wir alles Weitere besprechen können.«
Louis Effel sagte entgeistert: »Sie wollen jetzt kochen gehen?«
»Wenn Sie gestatten, Herr General. In der Küche kommen mir immer die besten Gedanken.«
Das denkwürdige Mahl fand sodann am Abend des 31. August 1939 im Extrazimmer des ersten Hauses am Platz statt.
»Einmalig«, sagte der General nach dem Hauptgang und wischte sich mit der Serviette über den Mund.
»Phantastisch«, sagte der Oberst.
»Das Beste von allem war die Schneckensuppe. So gut habe ich sie noch nie gegessen!« sagte der General.
»Ein kleiner Tip«, sagte Thomas, »nehmen Sie nur große Schnecken in grauen Häusern, Herr General! Die Häuser müssen aber geschlossen sein.«
Kellner brachten den Nachtisch. Thomas erhob sich. »Danke, das mache ich selber.«
Er entzündete einen kleinen Spirituskocher und verkündete: »Es gibt Zitronenschaumcreme und dazu eine flambierte Delikatesse.«
Einer Schale entnahm er eingemachte Kirschen, legte sie in eine kleine Kupferpfanne und erhitzte sie auf der Spiritusflamme. Sodann überschüttete er die Kirschen mit französischem Kognak und einer wasserhellen Flüssigkeit. Alle schauten gebannt zu. Oberst Siméon erhob sich halb.
»Was ist das?« fragte der General, auf die wasserhelle Flüssigkeit deutend.
»Hochprozentiger Alkohol, chemisch rein aus der Apotheke. Das brauchen wir, damit das Ganze brennt!« Mit einer geschickten Bewegung brachte Thomas die Flamme an die Kirschen heran. Zischend und sprühend schoß eine bläuliche Flamme empor, zuckte, flackerte, erlosch. Elegant verteilte unser Freund die heißen Früchte auf die Creme. »Und nun«, sagte er, »zu unserem Problem. Ich denke, es gibt eine Lösung.«
Des Generals Löffelchen klirrte. »Mein Gott, sprechen Sie!«
»Herr General, Sie beklagten am Nachmittag – wirklich gut, die Kirschen, nicht? – das Verhalten gewisser Kreise, die sich selbst am Elend Frankreichs noch bereichern wollen. Ich kann Sie beruhigen: Solche Cliquen gibt es in jedem Land. Die Herren wollen verdienen. Wie, das ist ihnen egal. Wenn etwas schiefgeht, nehmen sie ihr Geld und flüchten. Die kleinen Leute bleiben zurück.« Thomas aß einen Löffel Creme. »Vielleicht eine Spur zu sauer. Nein? Tja, meine Herren, ich denke, wir werden den französischen
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