Es muß nicht immer Kaviar sein
Thomas eine kurze Weile lang urplötzlich doch die Befürchtung, ein gewaltsames Ende könne ihn ereilen. Und zwar, als es gegen Mittag klingelte. Bastian ging öffnen. Er kehrte wachsbleich zurück. »Zwei Herren von der sowjetischen Militärkommission.«
»Allmächtiger Vater!« sagte Thomas. Da kamen sie schon herein. Ernst und schwer. Trotz der Wärme noch in Ledermänteln. Thomas war es plötzlich sehr heiß. Dann war ihm plötzlich sehr kalt.
Aus. Es ist aus. Sie haben mich gefunden.
»Gutten Taggg«, sagte der eine Sowjetmensch. »Cherrr Chellerrr?«
»Ja.«
»Wirrr suchen Frau Dunja Melanin. Man sagt uns, sie sein mit Ihnen.«
»Nun, hm, äh …« Thomas fing sich. »Zufällig ist die Dame anwesend.«
»Gestatten, daß wirrr mit ihrrr sprechen?
Allein
sprechen?«
»Aber bitte«, sagte Thomas. Er führte die beiden in ein Zimmer, in dem Dunja sich gerade manikürte.
Nach zehn Minuten gingen die Herren in den Ledermänteln bereits wieder – ernst und verschlossen.
Bastian und Thomas stürzten zu Dunja. »Was war los?«
Mit einem Jubelschrei flog die blonde Schönheit Thomas an den Hals und warf ihn fast über den Haufen.
»Das ist der glücklichste Tag meines Lebens!« Kuß. »Du mein Herz!« Kuß. »Du mein Einziger!« Kuß. »Wir können heiraten!«
Bastian fiel der Unterkiefer herab.
Thomas stammelte: »Wir können was?«
»Heiraten!!!«
»Aber du
bist
doch verheiratet, Dunja!«
»Nicht mehr! Seit zwei Minuten nicht mehr! Die Herren forderten mich auf, sofort heimzukehren. Im Namen eines sowjetischen Scheidungsgerichts, bei dem mein Mann eine Klage führt. Ich lehnte ab heimzukehren. Da sagten die Herren: ›Dann ist Ihre Ehe von Stunde an geschieden!‹ Hier, bitte, die Urkunde!«
»Ich kann nicht Russisch lesen«, murmelte Thomas, um den sich alles drehte. Er sah die strahlende Dunja an. Er sah den wachsbleichen Bastian an.
Na, dann gesegnete Mahlzeit, dachte er. Und die Schiffe mit der Sägemehlmunition und der Schmierseife sind auf hoher See.
Hilf, Himmel!
12
Das beste wird sein, ich nehme einen Strick und schieße mich damit tot, überlegte Thomas Lieven melancholisch. Wie soll ich jemals aus dem ganzen Schlamassel herauskommen? Bedrückt und beklommen schlich er in diesen Tagen herum. Als er in der Nacht zum 18. Mai von einem Besuch in Dunjas möbliertem Zimmer nach Hause kam, schleppte er sich ächzend zum Badezimmer und riß in seiner Nervosität die kleine Hausapotheke von der Wand. Donnernd krachte sie auf den Boden.
Schlaftrunken kam Bastian Fabre aus seinem Zimmer gestolpert: »Mensch, was ist denn los?«
»Brom …« stöhnte unser Freund. »Ich brauche Brom, ich muß mich beruhigen …«
»Kommst du von Dunja?«
»Ja. Stell dir vor – sie hat schon unser Aufgebot bestellt. Du bist einer von den Trauzeugen. Die Sache soll in vier Wochen steigen. Und sie will Kinder. Fünf! So schnell wie möglich … Bastian, ich bin verloren, wenn nicht sofort etwas geschieht – sofort, hörst du?«
»Hab’s gehört. Na, trink erst mal das da. Ich habe eine Idee. Vielleicht funktioniert sie. Aber dazu mußt du mir zwei bis drei Tage freigeben.«
»Laß dir Zeit, mein Alter«, sagte Thomas Lieven. Bastian verschwand. Als er nach sechs Tagen wiederkehrte, war er ungemein schweigsam.
»Mensch, mach doch mal das Maul auf!« drängte der verzagte Verlobte. »Hast du was erreicht?«
»Man wird sehen«, antwortete Bastian.
Das war am 25. Mai. An diesem Tag hörte Thomas nichts von Dunja, und auch nichts am folgenden. Als er sie abends besuchen wollte, war sie nicht zu Hause.
Am 27. Mai um 18 Uhr 15 schrillte in seiner Wohnung das Telefon. Er hob ab und hörte zunächst nur ein gewaltiges Getön und Brausen, Stimmen und Motorengeräusche.
Dann vernahm er plötzlich Dunjas Stimme, tränenerstickt, verzweifelt: »Mein Herz – mein Geliebter …«
»Dunja!« schrie er. »Wo bist du?«
»In Frankfurt – auf dem Flughafen – in der Militärpolizeistation …«
»Militärpolizeistation?«
Aufschluchzen in Frankfurt. Dann: »Ich fliege nach Amerika, mein Guter …«
Thomas plumpste in einen Sessel. »Du – was?«
»Meine Maschine startet in zehn Minuten … Ach, ich bin ja so unglücklich … Aber es geht um mein Leben. Sie bringen mich um, wenn ich hierbleibe …«
»Bringen dich um«, wiederholte Thomas blödsinnig. Summend kam Bastian ins Zimmer, ging zu einer Wandbar und machte sich einen kleinen Whisky. Indessen hörte Thomas die Stimme Dunjas: »Sie haben
Weitere Kostenlose Bücher