Es muß nicht immer Kaviar sein
Besatzung richtete einen Turnusdienst ein, pokerte und soff. Immer wieder ließ man den unbekannten »Cargo Owner« hochleben.
Am 20. Juni erreichte den angeheiterten Ersten Funker dieses chiffrierte Kabel:
norddeichradio – 20 juni 48 – 11.23 uhr – von reederei schwertmann hamburg an captain hannes dröge – im namen des cargo owners fordern wir sie nun auf unverzüglich hafen hamburg anzulaufen – ende
Während der Erste Funker das Kabel für den angeheiterten Captain dechiffrierte, hörte der angeheiterte Zweite Funker eine Nachrichtensendung von Radio London ab. Er nahm den Kopfhörer von den Ohren und sagte: »Da haben sie heute bei uns in Deutschland eine radikale Währungsreform bekanntgegeben. Das alte Geld ist nichts mehr wert. Nur 40 Mark pro Nase werden umgetauscht.«
»Das geht nie gut«, unkte der Zweite Funker.
»Mensch, mein Erspartes«, sagte der Captain.
»Reich ist jetzt derjenige, der Ware hat«, sagte der Erste Funker.
Dem Zweiten Funker stand der Mund offen: »Junge, Junge, unser Cargo Owner hat jetzt einhundert Autos!«
Der Captain nickte schwermütig: »So ein Ding müßte mal unsereiner drehen. Ein gerissener Hund. Wüßte gern, wer das ist!« Lieber Captain Hannes Dröge, vielleicht lesen Sie zufällig diese Zeilen. Dann wissen Sie es jetzt also …
14
Am 10. März 1948 hatte der tschechische Außenminister Masaryk Selbstmord begangen, und Benesch war verhaftet worden.
Am 18. April waren die neuen Lebensmittelrationen für die Vereinigten Westzonen bekanntgegeben worden. In vier Wochen erhielt der deutsche Normalverbraucher: 400 Gramm Fett, 100 Gramm Fleisch, 62,5 Gramm Trockenei und 1475 Gramm Nährmittel.
Am 21. Juli kam es auf dem Gelände der »I.G. Farben« in Ludwigshafen zu einer grauenvollen Explosion, die 124 Todesopfer forderte.
Anfang August trafen Thomas Lieven und sein Freund Bastian Fabre in einer kleinen Stadt in Franken ein. Wie Thomas Bastian erläuterte:
»Zuerst wollte ich ja lieber nach Südamerika. Aber jetzt ist mir in Wiesbaden ein alter Freund über den Weg gelaufen, dieser Erich Werthe. Bei dem können wir besser untertauchen als irgendwo anders. Bei dem findet uns kein Mensch. Solange das Autogeschäft noch läuft, bleibe ich auch lieber in Deutschland. Zumal ich mir letzthin einige Altaktien gekauft habe. Mal sehen, ob die nicht raufklettern …«
Die Laune des Zufalls hatte Thomas in Wiesbaden ein Wiedersehen mit dem schlanken, großen Exoberst Werthe von der Abwehr Paris beschert. Auf der Straße waren sie buchstäblich ineinander hineingelaufen. Der alte, weißhaarige Berufsoffizier bekam feuchte Augen. »Mensch, Lieven, die Freude!«
»Pst! Nicht so laut, Herr Werthe. Ich heiße hier gerade Heller.«
Werthe mußte grinsen. »Noch immer auf krummen Touren?«
»Was heißt noch immer? Jedesmal, wenn ich es auf die gerade Tour versuche, bekomme ich eine über den Schädel. Ich bin schon ganz rammdösig. Und Sie? Was machen Sie?«
»Ach, eigentlich gar nichts. Ich sitze auf meinem kleinen Weingut in Franken. Es gehört meiner Frau. Sie müssen uns besuchen. Ich bestehe darauf! Wann Sie wollen. Solange Sie wollen!
Sie
haben mich ja schließlich aus dem verdammten Lager herausgeholt …«
Tja, und nun waren sie also unterwegs zu ihm, die Herren Thomas Lieven und Bastian Fabre. In einem unauffälligen Vorkriegsauto schaukelten sie südwärts, hinab ins schöne Frankenland, einem Weingut entgegen – und einem neuen Abenteuer …
Das Weingut Erich Werthes lag auf sanften, sonnendurchglühten Hügeln über einer kleinen Stadt, die als Wallfahrtsort Berühmtheit erlangt hatte. Ein idyllischer Fluß durchquerte das gesegnete Rebental. Vor der Stadt erhob sich ein hoher Granitfelsen. Auf ihm stand das mächtige Stift, das eine wundertätige Madonna beherbergte.
Einer der ersten Männer, die Thomas in der kleinen Stadt kennenlernte, war denn auch der Abt des Stiftes, Waldemar Langauer: ein wahrhaft imponierender geistlicher Würdenträger mit schlohweißem Haar, sonnengebräunter Haut und blitzenden Augen.
Erich Werthe machte Thomas mit ihm bekannt. Die beiden Männer fanden sofort Kontakt miteinander. Waldemar Langauer zeigte Thomas die herrliche Stiftsbibliothek. Dann erzählte er von seinen Sorgen. Die Stadt war überfüllt mit Flüchtlingen, die Essen, Kleidung, Unterkunft brauchten – aber woher nehmen? Es fehlte an allem. Ein Lächeln verschönte des Abts Gesicht: »In solchen Zeiten lernt man die Menschen kennen, Herr
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