Es muß nicht immer Kaviar sein
mir Drohbriefe geschrieben – sie haben mich überfallen, fast erwürgt – sie haben gesagt, sie werden mich umbringen, weil ich nicht heimgekehrt bin – die Amerikaner sagen es auch!«
»Die Amerikaner
auch?«
»Nicht doch so, wie du meinst!« rief die Stimme aus Frankfurt hysterisch. »Ich werde im Auftrag des State Departments nach Amerika geflogen – in Sicherheit … Mein Mann ist doch ein Sowjetgeneral, vergiß das nicht …«
»Dunja, warum hast du mir nichts von all dem erzählt?«
»Ich wollte dich nicht in Gefahr bringen. Ich durfte auch mit niemandem sprechen …« Sie redete rasend schnell. Thomas wurde es schwindlig.
Von Liebe und Wiedersehen sprach Dunja, von ewiger Treue und ewiger Verbundenheit, über Ozeane hinweg. Und zuletzt: »… ich muß aufhören, Geliebter. Meine Maschine wartet auf mich … Leb wohl …«
»Leb wohl«, sagte Thomas. Dann war die Verbindung unterbrochen. Thomas legte den Hörer auf die Gabel.
Er starrte Bastian an und beleckte die Lippen. »Gib mir auch einen. Aber schnell. Das ist dein Werk – ja?«
Bastian nickte. »War übrigens gar nicht so schwer, mein Kleiner«, sagte er.
Nein, so schwer war es wirklich nicht gewesen, nachdem Bastian herausbekommen hatte, daß es in der Nähe von Nürnberg ein riesiges Ausländerlager gab. »Valka-Lager« hieß es. Dorthin war der treue Freund gefahren …
In der trostlosen Umgebung des trostlosen Lagers existierten viele Kneipen. Am dritten Abend fand Bastian zwei Herren, die bereit waren, zu durchaus zivilen Preisen einige Drohbriefe in russischer Sprache abzufassen. Weiterhin waren sie willens, nach Wiesbaden zu kommen und daselbst einen kleinen Einbruch zu inszenieren, eine Dame ein bißchen zu würgen und gewaltig zu erschrecken …
»… umgehend trat die Reaktion ein«, berichtete Bastian nun händereibend seinem Freund.
»Bastian!«
schrie Thomas ihn an.
»Es war ein garantiert ungefährliches Würgen. Ich habe dem Iwan vorher eingeschärft, daß ihr nichts Ernsthaftes geschehen dürfe!«
»Schnell noch einen, pur!« stöhnte Thomas.
»Gerne. Ich gebe zu, die Methode war nicht fein …«
»Barbarisch
war sie!«
»… aber du liegst mir doch am Herzen, mein Alter. Und ich habe dich immer mit fünf Kindern gesehen … Kannst du mir verzeihen?«
Später an diesem Abend unterhielten sie sich über ihre Zukunft. Und Thomas kam auf ein neues Geschäft zu sprechen. »Wir haben hier eine Menge Geld gemacht. Das Geld müssen wir jetzt anlegen – und zwar schnell.«
»Warum schnell?«
»Ich habe da etwas gehört – glaub mir, es muß schnell gehen. Wir werden Autos kaufen. Amerikanische Pontiacs, Cadillacs und so weiter.«
Thomas erwärmte sich über seinem Thema. Für einen Dollar, erklärte er, mußte man im Moment etwa 200 R-Mark bezahlen. Nun, sie hatten Geld genug! Natürlich bekam man als Deutscher keine Einfuhrlizenz für amerikanische Autos. Sei’s drum! Thomas hatte da einen kleinen Angestellten der amerikanischen Militärregierung kennengelernt. Der schied eben aus dem aktiven Dienst aus. Jackson Taylor hieß der Herr.
Er
würde eine Einfuhrlizenz bekommen.
»Mr. Taylor gründet pro forma ein Autogeschäft in Hamburg und verkauft die Karren – für uns.«
»An wen? Hat doch kein Mensch Penunze hier!«
»Das wird sich bald ändern.«
»Wie viele Autos willste denn kaufen?«
»Na, so an die hundert!«
»Jesus! Und gleich rüberkommen lassen?«
»Ja. Nein. Ich will sie kaufen und rüberkommen lassen. Aber vielleicht nicht gleich.«
»Sondern wann?«
»Das hängt davon ab, wann das Ding steigt.«
»Was für ein Ding?«
Thomas sagte ihm, was für ein Ding …
13
Am 10. Juni 1948 lief die »Olivia« aus dem Hafen von New York aus. Am 17. Juni befand sich das Schiff mit einer Ladung von 100 amerikanischen Automobilen auf einer Position von 15 Grad 15 Minuten westlicher Länge und 48 Grad 30 Minuten nördlicher Breite vor der Westküste Frankreichs. An diesem Tag erhielt der Kapitän folgenden chiffrierten Funkspruch:
norddeichradio – 17 juni 48 – 15.43 uhr – von reederei schwertmann hamburg an captain hannes dröge – im namen des cargo owners fordern wir sie auf ihre jetzige position bis auf weiteres beizubehalten und deutsche hoheitsgewässer vorläufig nicht anzulaufen – halten sie den funkverkehr mit uns aufrecht – sie bekommen neue weisungen – ende
Daraufhin kreuzte die »Olivia« drei Tage und drei Nächte lang in dem erwähnten Seegebiet. Die
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