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Es muß nicht immer Kaviar sein

Es muß nicht immer Kaviar sein

Titel: Es muß nicht immer Kaviar sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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grübelte Thomas. Er grübelte tagelang. Dann hatte er die rettende Idee! In den Helmen gab es herrliche Schweißbänder. Völlig neu, prima Qualität. In der ganzen deutschen Hutindustrie gab es kein einziges Schweißbandleder mehr.
    Thomas setzte sich mit den führenden Männern der Branche in Verbindung. Plötzlich gingen die Tropenhelme weg wie warme Semmeln!
    Mehr, weit mehr verdiente die »Offene Handelsgesellschaft Achazian« an dem Verkauf der Bänder, als sie an dem Verkauf der Helme verdient hätte. Und Thomas war es gelungen, die deutsche Nachkriegs-Hutindustrie anzukurbeln.
    Trotzdem, er hatte Sorgen – keine geschäftlichen. Thomas fühlte, wie Dunja an ihm zehrte, mehr und mehr. Sie machte ihm Szenen. Aus Liebe. Aus Eifersucht. Sie war aufregend und anstrengend. Thomas stritt und versöhnte sich mit ihr. Es war die verrückteste Zeit seines Lebens.
    Bastian machte sich auch Sorgen. »Das kann nicht so weitergehen, mein Junge. Du ruinierst dich mit der Dame.«
    »Was soll ich tun? Ich kann sie nicht rausschmeißen. Sie geht nicht.«
    »Sie wird schon gehen!«
    »Ja, zur Polizei.«
    »Verflucht«, sagte Bastian. »Aber du mußt dir doch irgendwelche Gedanken über die
Zukunft
machen, Mensch!«
    »Mache ich mir ja, mache ich mir dauernd. Das hier läuft ohnehin nicht mehr lange gut. Dann müssen wir weg. Es wird ganz plötzlich gehen, verstehst du – zu plötzlich für Dunja …«
    »Na, ich weiß nicht«, sagte Bastian.
    Dann verkauften sie an Griechen und Indochinesen Kugellager. Und Trucks. Und Jeeps. Und Pflüge. Und anderes landwirtschaftliches Gerät. »Damit können sie keinen Unfug anrichten«, sagte Thomas Lieven, aus den Fenstern seines Büros über die trostlosen Schutt- und Ruinengebirge Wiesbadens blickend.
    Die Stadt sah aus, als ob sie sich niemals mehr erheben wollte. Vor dem Krieg hatten hier nur reiche Leute gelebt. Jetzt war Wiesbaden eine Stadt der armen Rentner, die in Trümmern hausten. Die »Gesamttrümmermasse« wurde später offiziell mit 600 000 Kubikmetern festgelegt. Bis zur Währungsreform gab Wiesbaden für die Beseitigung von Schutt und Trümmern 3,36 Millionen R-Mark aus. Arbeiter und »Trümmerfrauen« schufteten Schulter an Schulter mit den anderen Bürgern der Stadt, die turnusmäßig Dienst taten. Auch Thomas Lieven, Bastian Fabre und Reuben Achazian buddelten tagelang im Dreck. Sie empfanden es als eine Art Ausgleichssport zu ihrer sonstigen Tätigkeit.
    Im Herbst 1947 kamen sie darauf, daß man aus jeweils einem amerikanischen Schlafsack ein Paar Hosen schneidern konnte. Sie hatten 40 000 amerikanische Schlafsäcke. Anzugfabriken in Süddeutschland erinnern sich heute noch an jene Flut von Material und Aufträgen, die im November 1947 über sie hereinbrach …
    Im Frühling des Jahres 1948 drehten sie dann, als Abschluß, ihre Munitionsgeschäfte. Die Munition hatten sie bis zu diesem Zeitpunkt »vorbehandeln« lassen. Nun wurde sie verschifft, ebenso wie die mit Schmierseife gefüllten Kisten, in denen angeblich Maschinenpistolen lagen.
    Die Schiffe mit Ladungen für Griechenland und Indochina stachen in See. Sie werden eine gute Weile unterwegs sein, dachte Thomas. Er konnte in aller Ruhe darangehen, seine Büros in Wiesbaden zu schließen – etwa zur selben Zeit, da verschiedene Filmfirmen ihre Büros in der Stadt eröffneten.
    Die Filme, die in Wiesbaden gedreht wurden, hatten alle die unverfänglich-belanglosen, trostlos-munteren oder garantiert unverfänglichen Themen und Titel der deutschen Umerziehungsperiode, zum Beispiel »Wenn eine Frau liebt«, »Hochzeitsnacht im Paradies«, »Der Tiger Akbar« und »Die tödlichen Träume« …
    »Jetzt wird es langsam Zeit für uns, abzuhauen, alter Junge«, sagte Thomas am 14. Mai 1948 zu Bastian.
    »Was glaubst du, was die Griechen und Indochinesen machen werden, wenn sie draufkommen, was passiert ist?«
    »Sie werden uns umlegen, wenn sie uns erwischen«, sagte Thomas Lieven.
    Die Waffenkäufer erwischten Thomas und Bastian nicht. An ihrer Stelle erwischten fremde Agenten in der Bundesrepublik, wie erinnerlich, in den Jahren 1948 bis 1956 ein paar »echte« Waffenhändler. Sie legten ihnen Zeitbomben in die Autos. Oder sie schossen sie auf offener Straße zusammen.
    Philosophisch meinte Thomas Lieven bei einer dieser makabren Gelegenheiten: »Wer Gewalt liefert, kommt gewaltsam um. Wir haben Schmierseife geliefert.
Wir
leben …«
    Das war, wie gesagt, zu einem späteren Zeitpunkt. Am 14. Mai 1948 hatte

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