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Es muß nicht immer Kaviar sein

Es muß nicht immer Kaviar sein

Titel: Es muß nicht immer Kaviar sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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Gebet glitten die Äuglein des Menschenfreundes Rebhahn flink um den Tisch. »Ah, Zwiebelkuchen! Welche Delikatesse!« Er langte zu. Der vergilbte Fürst kaute vorsichtig, dann sagte er: »Wundervoll, der Kuchen. Wie meine Mutter ihn machte. Gratuliere, gnädige Frau.«
    »Sie müssen Herrn Lieven gratulieren«, sagte Luise Werthe. »Er hat ihn gebacken.« Drei Augenpaare fühlte Thomas plötzlich auf sich ruhen, kühl, prüfend, ohne Sympathie. Der Polizeipräsident, der Fürst, der Philanthrop Rebhahn sahen ihn an – wie drei Kriminalkommissare einen verhafteten Verbrecher.
    Thomas schmeckte sein eigener Zwiebelkuchen auf einmal nicht mehr. Er drehte den Bissen im Mund herum. Dieser Herr Rebhahn wurde ihm mit jeder Sekunde unsympathischer.
    In seinem schwerfälligen, akzentuierten Deutsch sprach Bastian: »Wollen wir auch dafür danken, daß charmante Madame Werthe sein auf diese Welt und diese wundervolle Wein, mit dem isch stoße an nun auf sie! Messieurs!«
    Alle hoben die Gläser und prosteten Luise Werthe zu, die errötete. Mit leichter Bitterkeit sagte sie: »Es war Gottes Wille, daß dieser Wein hier wachse. Ist es auch Gottes Wille, daß wir ihn nicht verkaufen können?«
    Salbungsvoll sprach Rebhahn: »Eine Zeit der Prüfung ist es, die wir zu bestehen haben, liebe gnädige Frau. Wir alle. Geht es mir anders? Bleibt nicht auch mein Wein liegen?«
    »Ich will ja gar nicht davon reden, daß wir auf unserm Wein sitzenbleiben«, sagte Luise Werthe. »Aber was ist das mit dem italienischen Wein? Ich meine: Das ist doch eine niederträchtige Schiebung! Das ist doch …«
    »Luise, bitte!« sagte Werthe scharf. Gleichzeitig bemerkte Thomas Lieven, wie Rebhahn, der Fürst und der Polizeipräsident einen Blick wechselten. Schnell sah Thomas zu Bastian. Der hatte es auch gesehen. Zwiebelkuchen auf seine Gabel häufend, fragte Thomas harmlos: »Italienischer Wein, was ist denn damit?«
    Wieder wechselten der Polizeipräsident, der Fürst und der Menschenfreund Rebhahn Blicke. Thomas dachte: Ist mein alter Freund Werthe denn blind? Solche Leute hält er für seine Freunde? Nicht begraben sein möchte ich mit diesen drei Brüdern!
    Rebhahn sah Thomas aus strahlend blauen Augen an und antwortete mit fester Stimme: »Seit einem Jahr wird Deutschland überschwemmt mit abertausend Litern von billigen italienischen Weinen. Diese Weine ruinieren uns allen das Geschäft. Denn jedermann kauft natürlich sie und nicht unsere Produkte. Wo kommen diese Weine her? Das weiß niemand. Wer importiert sie? Niemand weiß es.«
    »Moment mal«, sagte Thomas, »ich dachte, es gibt keine Einfuhrlizenzen für ausländische Weine – sagten Sie mir doch gestern, Herr Werthe.«
    Der lachte freudlos: »Sagte ich, ja. Offiziell
gibt
es auch keine. In Frankfurt sitzt eine amerikanische Kommission, die JEIA . Sie allein erteilt Einfuhrlizenzen. Und für Wein erteilt sie keine. Angeblich jedenfalls.«
    »Sie erteilt in der Tat keine, Herr Oberst«, sprach salbungsvoll der Flüchtlingsfreund und Paradechrist Rebhahn. »Wir wollen doch keine Verdächtigungen gegen aufrechte und unbestechliche amerikanische Offiziere aussprechen, nicht wahr?«
    »Um Gottes willen!« sagte Werthe erschrocken. Thomas dachte: Armer Kerl, bist du schon so parterre?
    In dieser Nacht fand auf einem Hügel über der kleinen Stadt folgendes Gespräch statt: »Hör mal, Bastian, alter Kumpel, ist dir dieser Rebhahn auch so zum Kotzen?«
    »So zum Kotzen wie mir kann er dir überhaupt nicht sein! Na, und die beiden anderen Typen!«
    »Armer alter Werthe – und diese Brüder haben ihm Geld geliehen – und diesen Gangstern ist er verpflichtet.«
    »Ich muß mal eine kleine Frage an dich richten – darf ich?«
    »Na los, Goldkind, richte!«
    »Wenn er auch seinen Wein nicht losbringt und wenn er auch keine Einfuhrlizenzen für ausländische Weine bekommt – wieso geht es diesem Monsieur Rebhahn dann so gut, daß er Riesenbeträge für arme Flüchtlinge stiften kann?«
    »Ja«, sagte Thomas Lieven, »das habe ich mir auch schon überlegt. Um dir diese Frage zu beantworten und – hoffentlich – meinem Freund Werthe helfen zu können, werde ich wohl für einige Zeit nach Italien fahren müssen …«
    16
    Am 10. September 1948 saß Thomas Lieven in der Kneipe des zwielichtigen Luigi in Neapel bei einem Topf voll Pasta asciutta und einer Flasche Rotwein. Er hatte Luigi, der aussah wie der Schauspieler Orson Welles, knapp nach Kriegsende kennen- und schätzengelernt,

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