Es muß nicht immer Kaviar sein
Hamburg. Soll ich da vor ein deutsches Gericht gehen und sagen: Dieser Herr Pretorius heißt in Wirklichkeit Marlock. Dieser Herr hat mich 1939 hineingelegt. Soll ich das sagen? Wenn ich klage, muß ich als Thomas Lieven klagen, denn als Thomas Lieven war ich Bankier in London. Mein Name wird in allen Zeitungen stehen …«
»Auwei.«
»Jawohl, auwei. Meinst du, ich will unbedingt von irgendeiner Roten, Grünen, Blauen oder Schwarzen Hand umgelegt werden? Ein Mann mit meiner Vergangenheit muß es auf das peinlichste vermeiden, in die Öffentlichkeit zu treten.«
»Na, aber wie willst du Marlock schaffen?«
»Ich habe einen Plan. Ich brauche einen Strohmann dazu. Ich habe ihn auch schon: Herr Reuben Achazian, mit dem wir die ZVG -Geschäfte gemacht haben. Ich habe ihm geschrieben. Er kommt her.«
»Und ich? Was mache ich?«
»Du, mein Alter, mußt dich jetzt eine Zeitlang von mir trennen«, sagte Thomas und legte dem Freund eine Hand auf die Schulter: »Schau mich nicht so unglücklich an; es ist nötig, es steht zuviel auf dem Spiel … Du nimmst alles Geld, das ich nicht brauche, und fährst nach Deutschland. Nach Düsseldorf am besten. Dort, wo die reichsten Leute wohnen, kaufst du uns eine Villa. Einen Wagen. Und so weiter. Wenn ich bei dieser Sache Pech habe und alles verliere, dann brauche ich Kredit. Und Vertrauen. Und muß angeben. Kapiert?«
»Kapiert.«
»Cecilien-Allee«, sagte Thomas verträumt. »Das wäre eine Gegend für uns. Da sieh dich mal um. Da wollen wir uns ansiedeln. Da wohnen die
ganz
feinen Leute.«
»Na ja«, sagte Bastian, »dann ist es natürlich sonnenklar, daß auch wir dorthin müssen …«
19
Wir berichten nun über Thomas Lievens größtes und riskantestes Börsenmanöver. Wir wollen bemüht sein, so zu berichten, daß jedermann begreifen kann, wie raffiniert sein Racheplan war.
Blicken wir zuerst nach Stuttgart. Vor den Toren jener schönen Stadt lag das Gebäude der »Excelsior-Werke AG «. Im Krieg hatte diese Gesellschaft mit einer Belegschaft von über 5000 Menschen Armaturen und Instrumente für Görings Luftwaffe hergestellt. 1945 war das Geschäft vorbei. In Deutschland wurden – für ein kurzes Weilchen – gerade mal keine Kriegsflugzeuge gebaut.
Also stellten die »Excelsior-Werke« in kleinstem Rahmen verschiedene technische Geräte her. Aber nach der Währungsreform im Sommer 1948 schien der Konkurs unabwendbar. Weit unter dem Nominalwert wurden Excelsior-Aktien gehandelt, zu einem Kurs von 18 bis 25. Der Zusammenbruch war für Experten im Frühsommer 1949 nur noch eine Frage von Wochen.
In dieser verzweifelten Situation machten die Herren vom Vorstand der »Excelsior-Werke« am 9. Mai 1949 die Bekanntschaft eines Armeniers namens Reuben Achazian, der sie in Stuttgart aufsuchte.
Herr Achazian, ausgezeichnet gekleidet, Besitzer eines brandneuen Cadillac, Modell 1949, erklärte den Versammelten: »Meine Herren, ich besuche Sie im Auftrag eines Schweizer Unternehmens, das aber anonym zu bleiben wünscht. Dieses Unternehmen ist stark interessiert, einen Teil seiner Produktion nach Deutschland zu verlegen …«
Warum, wollten die Herren vom Vorstand wissen.
»… weil hier die Herstellungskosten für technische Geräte wesentlich niedriger liegen. Meine Herren, die Schweizer denken daran, Ihnen einen langfristigen Vertrag anzubieten. Man ist bereit, zu günstigen Bedingungen an einer Sanierung Ihres Werkes mitzuwirken. Damit Sie sehen, daß es den Leuten ernst ist, bin ich ermächtigt, Ihnen mitzuteilen: Die Schweizer Gruppe wird fällige Wechsel Ihres Unternehmens bis zu einem Betrag von einer Million D-Mark übernehmen!«
Eine Million D-Mark! Der Silberstreifen am Horizont für ein Werk, das vor dem Konkurs stand. Verständlich, daß die Herren sich keine lange Bedenkzeit ausbaten …
Prompt trafen am 25. Mai 1949 bei den »Excelsior-Werken« denn auch 900 000 DM ein. Dieser Betrag war das Vermögen, das Thomas Lieven in seine Rache investierte. Er arbeitete schwer in diesen Tagen. Nachdem er mit verschiedenen Wirtschaftsredakteuren und Journalisten gesprochen hatte, erschienen in Schweizer Zeitungen Artikel, wonach schweizerische Industriekreise die Möglichkeit prüften, Zweigbetriebe in der deutschen Bundesrepublik einzurichten. Diese Meldungen und die Tatsache, daß alle fälligen Excelsior-Wechsel anstandslos eingelöst wurden, erregten Sensation an westdeutschen Börsen. Eine lebhafte Nachfrage nach Excelsior-Aktien setzte ein. Die Kurse
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