Es muß nicht immer Kaviar sein
Melanin getroffen hatte, wurde es ganz schlimm mit ihm. Er prügelte sie, sie prügelte ihn. Mark muß einen Bericht nach Moskau geschickt haben, denn Morris wurde plötzlich abberufen. In Paris ging er zur amerikanischen Botschaft, bat um Schutz und erzählte alles, was er wußte.«
»Es scheint mir, trotz allem, nicht sehr viel zu sein«, sagte Thomas.
»Es ist nicht genug«, sagte Hoover. »Aber es ist eine ganze Menge. Denn obwohl dieser geheimnisvolle Mark alles tat, um vor Morris geheimzuhalten, wo er wohnte, gelang es diesem doch einmal, ihn heimlich zu verfolgen. Und nach seiner Aussage wohnt Mr. Mark – wissen Sie, wo?«
»Da Sie es so spannend machen, nehme ich an, in der Fulton Street 252.«
»Richtig«, sagte Edgar Hoover. »In dem Haus, in dem der kleine James Bozart vor vier Jahren hinfiel und die Münze fand …«
Danach war es eine Weile still im Zimmer. Thomas stand auf und trat ans Fenster. Er sah hinaus auf die weite, liebliche Landschaft.
Edgar Hoover sagte: »Ein Stab meiner Beamten, darunter Miß Faber, hat in den letzten Wochen jeden Bewohner des Hauses noch einmal unter die Lupe genommen. Die Beschreibung, die Morris von Mark gab, paßt genau auf den beliebtesten Mieter. Er ist Maler. Lebt ganz oben, unter dem Dach. Und heißt Goldfuß. Emil Robert Goldfuß. Amerikanischer Bürger. Seit 1948 wohnhaft in der Fulton Street 252. Erzählen Sie weiter, Miß Faber.«
Pamela sagte: »Seit Wochen beschatten wir diesen Maler Goldfuß. Ein Dutzend FBI -Autos mit Radar-, Funk- und Fernsehgeräten ist eingesetzt. Keinen Schritt kann Goldfuß mehr machen, ohne daß ihm unsere Leute folgen. Ergebnis: null.«
»Das verstehe ich aber nicht«, sagte Thomas. »Wenn er so dringend verdächtig ist, ein Spion zu sein, warum verhaften Sie ihn dann nicht?«
Pamela schüttelte den Kopf: »Wir sind nicht in Europa, Herr Lieven.«
»In den Staaten«, erklärte Edgar Hoover, »darf ein Mann nur festgenommen werden, wenn er
ohne jeden Zweifel
eine ungesetzliche Handlung begangen hat. Erst dann wird ein Richter einen Haftbefehl ausschreiben. Wir haben den Verdacht, daß Goldfuß ein Spion ist. Aber beweisen? Nein, beweisen können wir es nicht. Und solange wir das nicht unwiderlegbar können, wird uns kein einziger Richter dieses Landes gestatten, ihn festzunehmen.«
»Aber Morris? «
»Morris hat uns alle Informationen vertraulich geliefert. Mit Rücksicht auf seine Familie in Rußland wird er unter gar keinen Umständen öffentlich gegen Goldfuß in den Zeugenstand treten.«
»Und eine heimliche Hausdurchsuchung?«
»Natürlich könnten wir, wenn Goldfuß einmal fort ist, in seine Wohnung eindringen und sie durchsuchen. Ich bin sicher, daß wir einen Kurzwellensender und viele andere Dinge finden würden, die beweisen, daß er ein Spion ist. Aber dann würde er niemals verurteilt werden können!«
»Wieso nicht?«
»Seine Verteidiger würden verlangen, daß unsere Beamten unter Eid aussagen, woher sie ihr Belastungsmaterial haben. Angenommen, sie hätten es sich durch eine ungesetzliche Hausdurchsuchung verschafft – der Richter würde anordnen, daß nichts von all diesem Material gegen Goldfuß verwendet werden darf.«
»Ja, aber wie ist denn dieser Mr. Goldfuß dann überhaupt zu fassen?«
Edgar Hoover lächelte sanft. »Das fragen wir Sie, Herr Lieven. Darum haben wir Sie kommen lassen – Sie, einen alten Freund von Dunja Melanin.«
8
»In Rußland machen sie Schaschlik mit Zwiebeln!« schrie der fette Boris Roganow. »In Rußland machen sie Schaschlik nicht mit Zwiebeln!« schrie Thomas Lieven.
Sie standen sich wutbebend gegenüber. Ohrfeigen lagen greifbar nahe in der Luft. Man schrieb den 19. Juni 1957. Es war 13 Uhr 30 und entsetzlich schwül in New York. Der Schaschlikkrach fand in der Küche eines russischen Feinschmeckerlokals in der 41. Straße statt. Der fette Herr Roganow war der Besitzer dieses Lokals. Thomas verkehrte hier seit einigen Tagen, denn »Bei Roganow« pflegte Dunja Melanin zu Mittag zu essen. Sie arbeitete in der Nähe, in der Ordination eines gewissen Dr. Mason.
Es war ein trauriges Wiedersehen gewesen. Dunja, immer noch leidenschaftlich und reizvoll, jammerte Victor Morris nach. Immer wieder brach sie in Tränen aus, wenn sie von ihm erzählte – und sie erzählte ununterbrochen von ihm, teils aus eigenem Antrieb, teils, weil Thomas sie dauernd dazu animierte.
Heraus kam nichts dabei. Was Dunja auch erzählte, es half Thomas nicht weiter. Wenn er Dunja
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