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Es muß nicht immer Kaviar sein

Es muß nicht immer Kaviar sein

Titel: Es muß nicht immer Kaviar sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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schwarzhaarige, hübsche Mimi verstand zwar nicht, aber erriet, was er wollte, öffnete ein Täschchen und produzierte das Verlangte. Den Landsern, die den Wagen umdrängten, schenkte sie ein Lächeln, das augenblicklich bewunderndes Volksgemurmel erzeugte.
    »My secretary«, erklärte Thomas dem Oberleutnant. Das geht ja prima, dachte er. Jetzt noch Siméon, dann haben wir es überstanden. Im nächsten Augenblick ereignete sich die Katastrophe.
    Oberleutnant Zumbusch steckte den Kopf durch das Wagenfenster, um Mimi ihren Paß zurückzugeben. Danach wandte er sich an Siméon, der zwischen Hutschachteln und Koffern im Fond saß, die Ledertasche auf den Knien.
    Vielleicht bewegte Zumbusch sich zu schnell, als er die Hand ausstreckte. Oberst Siméon fuhr vor der Teutonenhand, die auf ihn zukam, zurück und preßte die Tasche mit dem fanatischen Gesichtsausdruck eines christlichen Märtyrers an die Brust.
    »Nanu«, sagte Zumbusch, »was ist denn da drin? Zeigen Sie mal her!«
    »Non, non, non!« rief der Oberst.
    Thomas, der vermitteln wollte, hatte plötzlich den Zumbuschschen Ellenbogen im Mund. Ein Chrysler ist nun mal kein Rummelplatz.
    Mimi begann zu kreischen. Zumbusch schlug sich den Schädel am Wagendach an und begann zu fluchen. Und als Thomas sich umdrehte, traf ihn der Ganghebel an einer empfindlichen Stelle. Am Knie.
    Dieser Trottel von einem Helden, dachte Thomas Lieven grimmig. Dann sah er zu seinem unsagbaren Entsetzen eine französische Armeepistole in Siméons Hand und hörte ihn keuchen: »Ände fort oder isch schießen!«
    »Sie Esel!« schrie Thomas. Er kugelte sich beinahe den Arm aus, als er Siméons Hand hochschlug. Donnernd löste sich ein Schuß. Die Kugel durchschlug das Wagendach.
    Thomas riß Siméon die Waffe aus der Hand und sagte französisch und grimmig: »Mit Ihnen hat man aber auch nur Ärger!«
    Oberleutnant Zumbusch riß den Wagenschlag auf und brüllte Thomas an: »Raus!«
    Verbindlich lächelnd stieg Thomas ins Freie. Der Oberleutnant hielt jetzt auch eine Pistole in der Hand. Reglos standen die Panzerjäger im Kreis, Waffen im Anschlag. Still, sehr still war es auf einmal.
    Thomas schleuderte Siméons Waffe in ein Kornfeld, dann blickte er mit hochgezogenen Brauen in die Mündungen von fünfzehn Pistolen.
    Jetzt hilft alles nichts mehr, dachte Thomas; ich muß an unseren nationalen Autoritätskomplex appellieren. Also holte er tief Luft und brüllte Zumbusch an: »Dieser Herr und die Dame sein unter meine Schutz! Mein Wagen trägt Fahne der United States.«
    »Rauskommen, oder es knallt!« rief Zumbusch den zivilen Oberst Siméon an, der bleich im Fond saß.
    »Sie bleiben drin!« schrie Thomas. Es fiel ihm nichts Besseres ein: »Dieser Wagen sein exterritorial! Wer in diese Wagen sitzt, sitzt auf die Boden von Amerika!«
    »Das ist mir schnuppe …«
    »Okay, okay, Sie wollen also provozieren eine internationale Zwischenfall! Wegen eine solche Zwischenfall sind wir eingetreten in die Erste Weltkrieg!«
    »Ich provoziere überhaupt nichts! Ich tue nur meine Pflicht! Der Mann kann ein französischer Agent sein!«
    »Glauben Sie, er würde benehmen sich dann so verrückt?«
    »Die Tasche, los, ich will wissen, was in dieser Tasche ist!«
    »Das sein Diplomatengepäck, international geschützt! Ich werde beschweren mich bei Ihre Vorgesetzten!«
    »Das können Sie gleich tun!«
    »Was soll das heißen?«
    »Sie kommen mit!«
    »Wohin?«
    »Zu unserem Korpsgefechtsstand. Daß hier etwas faul ist, das sieht doch ein Blinder! Setzen Sie sich ans Steuer. Drehen Sie den Wagen um. Beim ersten Fluchtversuch wird geschossen. Und nicht auf die Reifen«, sagte Oberleutnant Zumbusch. Er sagte es sehr leise.

2. Kapitel
    1
    Während er melancholisch seufzte, blickte Thomas Lieven sich in dem rot-weiß-golden dekorierten Schlafzimmer um. Das Schlafzimmer gehörte zum Appartement 107. Das Appartement 107 war eines der vier luxuriösesten des Hotels »Georges V«. Das Hotel »Georges V« war eines der vier luxuriösesten von Paris. Auf seinem Dach wehte seit Stunden die Reichskriegsflagge mit dem Hakenkreuz. An seinem Portal rasselten seit Stunden schwere Panzer vorbei. In seinem Hof stand ein schwarzer Chrysler. Und im Schlafzimmer des Appartements 107 saßen Thomas Lieven, Mimi Chambert und Oberst Jules Siméon.
    Sie hatten vierundzwanzig völlig irrsinnige Stunden hinter sich. Einen Panzerspähwagen vor, einen Panzerspähwagen hinter ihrem schwarzen Chrysler, waren sie dem Korpsgefechtsstand

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