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Es muß nicht immer Kaviar sein

Es muß nicht immer Kaviar sein

Titel: Es muß nicht immer Kaviar sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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Rückkehr. Diesmal hatte er vergessen, sie von seinem früheren Eintreffen zu benachrichtigen.
    Ich will die Kleine überraschen, überlegte Thomas. Er überraschte sie tatsächlich – in den Armen des charmanten Oberst Jules Siméon.
    »Monsieur«, sagte der Oberst, mit den vielen Knöpfen seiner Uniform beschäftigt, »ich nehme alle Schuld auf mich. Ich habe Mimi verführt. Ich habe Ihr Vertrauen enttäuscht, Monsieur. Das ist durch nichts zu entschuldigen. Bestimmen Sie die Art der Waffe.«
    »Machen Sie, daß Sie aus meiner Wohnung kommen, und lassen Sie sich hier nie mehr sehen!«
    Siméon bekam eine Gesichtsfarbe von der Intensität einer Erdbeere, biß sich auf die Lippen und ging.
    Schüchtern sagte Mimi: »Du warst aber sehr grob!«
    »Du liebst ihn, was?«
    »Ich liebe euch beide. Er ist so tapfer und romantisch, und du, du bist so gescheit und lustig!«
    »Ach, Mimi, was mache ich nur mit dir?« sagte Thomas niedergeschlagen und setzte sich auf den Bettrand. Es war ihm plötzlich zu Bewußtsein gekommen, daß er Mimi sehr gern hatte …
    Am 10. Mai brach die deutsche Offensive los. Die Belgier hatten sich getäuscht; sie wurden zum zweitenmal überfallen.
    Die Deutschen setzten 190 Divisionen ein. Diesen standen gegenüber: 12 holländische Divisionen, 23 belgische, 10 britische, 78 französische und 1 polnische. Insgesamt 850 alliierte Flugzeuge, zum Teil alter Bauart, hatten gegen 4500 deutsche Maschinen zu kämpfen.
    Der Zusammenbruch kam mit atemberaubender Schnelligkeit. Panik brach aus. Zehn Millionen Franzosen machten sich auf eine elende Wanderschaft.
    In Paris löste Thomas Lieven in Ruhe seinen Haushalt auf. Er stellte die letzten falschen Pässe für Landsleute aus, als er schon das dumpfe Grollen der Kanonen hören konnte.
    Er bündelte seine Francs, Dollars und Pfunde ordentlich, banderolierte sie und verwahrte sie in einem Koffer mit doppelter Wandung. Mimi half ihm dabei. Sie sah schlecht aus in diesen Tagen. Thomas war freundlich, aber kühl. Er hatte den Oberst noch nicht verwunden.
    Äußerlich gab er sich guten Mutes: »Letzten Meldungen zufolge kommen die Deutschen von Norden nach Osten. Wir werden also noch eine Kleinigkeit zu uns nehmen und dann Paris in südwestlicher Richtung verlassen. Benzin haben wir genug. Wir fahren über Le Mans. Dann hinunter nach Bordeaux und …« Er unterbrach sich und sagte: »Du weinst?«
    Mimi schluchzte: »Du nimmst mich mit?«
    »Nun ja, natürlich. Ich kann dich doch nicht hier zurücklassen.«
    »Aber ich habe dich doch betrogen …«
    »Mein Kind«, sagte er mit Würde, »um mich zu betrügen, hättest du dich schon mit Winston Churchill abgeben müssen!«
    »Ach, Thomas – du bist wundervoll! Und – und verzeihst du auch ihm?«
    »Leichter als dir. Daß er dich liebt, kann ich verstehen.«
    »Thomas …«
    »Ja?«
    »Er ist im Garten.«
    Thomas fuhr auf: »Was fällt ihm ein?«
    »Er ist so verzweifelt. Er weiß nicht, was er tun soll. Er kam von einer Dienstreise; niemand von seinen Leuten ist mehr da. Jetzt ist er ganz allein, ohne Wagen, ohne Benzin …«
    »Woher weißt du das?«
    »Er – er hat es mir erzählt … Er kam vor einer Stunde … Ich habe ihm gesagt, ich werde mit dir reden …«
    »Es ist ja nicht zu fassen«, sagte Thomas. Dann begann er zu lachen, bis ihm die Tränen in die Augen traten.
    11
    Am Nachmittag des 13. Juni 1940 fuhr ein schwerer schwarzer Chrysler in südwestlicher Richtung durch den Pariser Vorort Saint-Cloud. Er kam nur langsam voran, denn mit ihm, in gleicher Richtung, ratterten und polterten unzählige andere Fahrzeuge – Flüchtlingskolonnen aus Paris.
    Am rechten Kotflügel des schwarzen Chryslers leuchtete ein Stander der Vereinigten Staaten von Amerika. Das gesamte Dach des Wagens wurde von einem mittelgroßen Sternenbanner verdeckt. Schilder glänzten auf den Stoßstangen. Darauf leuchteten, blank poliert, die Buchstaben CD .
    Am Volant des großen Wagens saß Thomas Lieven. Mimi Chambert saß neben ihm.
    Im Fond, zwischen Hutschachteln und Koffern, saß Oberst Jules Siméon. Er trug jetzt wieder seinen einstmals eleganten, leicht abgestoßenen blauen Anzug, die goldenen Manschettenknöpfe und die goldene Krawattennadel. Siméon betrachtete Thomas mit einem Gemisch von Dankbarkeit, Scham und großer Verlegenheit.
    Thomas versuchte, die gespannte Atmosphäre durch ermutigende Reden zu entschärfen: »Unser guter Stern wird uns beschützen.« Er sah auf den Stander am Kühler. »Besser

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